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Science Fiction Almanach 1982

Science Fiction Almanach 1982

Titel: Science Fiction Almanach 1982 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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daran gewöhnen, alle Wahrheiten zu ertragen, subjektive, schöne und häßliche. Für Sie ist das unfaßbar, ein Zustand der Lügenlosigkeit wäre für Sie eine Hölle, Ihr ganzes Innenleben ist nicht auf Wahrheiten aufgebaut, sondern auf Gefühlen. Da glauben Sie zum Beispiel allen Ernstes, daß Sie in mir das Resultat Ihrer ‚exakten Forschung’ vor sich haben und halten mich Ihnen zu Danke verpflichtet, während Sie tatsächlich nur mit wenig Kombination und unglaublich viel Zufall den Extrakt der Menschenwerdung, das Anthropologin, entdeckt haben. Wirklich, es hat nichts Berückendes für mich, als einziger eine Million Jahre zu früh geboren zu sein. Denken Sie einmal, Sie würden plötzlich in Ihrem Entwicklungsstadium unter die Menschen der Steinzeit versetzt. Sind Sie der Ansicht, daß Sie sich unter ihnen dauernd wohl fühlen würden?“ Doktor Imag war völlig niedergeschlagen. „Aber ist es denn so schlimm?“ fragte er bescheiden. „Wir haben doch schon recht Tüchtiges geleistet: Mit feindurchdachten Apparaten durchfliegen wir die Luft: mit –“ „Halt“, unterbrach der Wundermensch Berthold kopfschüttelnd, „bleiben wir erst einmal bei der Luft. Ich will Ihre Empfindlichkeit nicht verletzen, die zu Ihrem Wesen nun einmal in demselben Maße gehört, wie die Tatsache, daß die Embryonenhaftigkeit Ihrer psychischen Fluidkräfte Sie zwingt, die unerkannten, scheinbar feindlichen Naturgesetze durch ebenso stümperhafte wie komplizierte Mittelchen zu bekämpfen, anstatt in ihnen den Bundesgenossen zu suchen. Die konkreten Wirkungen meiner reingeistigen Willensfähigkeit verhalten sich zu den Kräften Ihrer gewaltigsten Maschinen, wie diese zu dem Hammer des Steinzeitmenschen. Ihr gerühmtes Fliegen nun gar, war schon ein paar hunderttausend Jahre vor meinem Zeitalter höchster menschlicher Vollendung kein Problem mehr. Schon damals hatte der Geist Gewalt über die Materie erlangt, schon damals ward mit dem Kinde die unwillkürliche Fähigkeit geboren, die Wirkung des Erdmagnetismus auf die Molekulargewichte der Körpersubstanz nach Belieben zu verändern oder aufzuheben. Diese Fähigkeit auf die tangential wirkende Erdrotation angewandt, ist das ‚Fliegen’ meiner Zeit.“
    Mit diesen Worten erhob sich die Gestalt des Sprechenden langsam vom Erdboden und stieg, ohne ein Glied zu rühren, zur Decke empor.
    Imag faßte sich an die Stirn: „Das ist unerhört, unfaßbar –“
    „Aber nicht im mindesten“, schnarrte es von oben. „Denken Sie einmal reiflich nach und Sie müssen mir zugeben: bei weitem wunderbarer ist der Umstand, daß und wie die Milliarden Zellen Ihres Gewebes, teils selbst schaffend, teils von Ihrem Willen beeinflußt, in den Gesamtfunktionen Ihr animalisches Leben und Ihre Psyche darstellen. Die Gewöhnung hat Sie zu einer sonderbaren Resignation gebracht, während Sie über die einfachsten und elementarsten Dinge schier das bißchen Verstand verlieren wollen.“
    „Sie haben recht“, stöhnte der Gelehrte verzweifelt; schüchtern wies er auf ein wundervolles Fernrohr in einem kleinen Observatorium.
    „Ist das auch nichts? Der Mond erscheint nur 100 Kilometer weit.“
    „Lieber Freund“, entgegnete der andere, „meine Netzhaut hat heloaktive Fähigkeiten. Für mein Auge existiert keine Atmosphäre, keine Perspektive, keine Entfernungen, ich sehe die Dinge im ganzen Weltenraume wie sie sind. Überhaupt gibt es keine Fähigkeit, die der Mensch nicht durch die Gewalt seines Willens erlangen könnte, vorausgesetzt, daß er es intensiv genug will und die kurze Spanne von einigen hunderttausend Jahren nicht als eine zu große Geduldsprobe ansieht. Je niedriger nun die Entwicklungsstufe der Menschen, um so geringer ist die Intensität der fluidalen, empororganisierten Willenskräfte, um so mehr Zeit ist also auch zur Hervorbringung einer bestimmten Wirkung erforderlich. Glauben Sie mir, die langsame, unbewußte Umformung eines Urtierchens in ein harmloses ist ein ungleich rätselhafterer Vorgang als die Erkennung und Ausnutzung der sogenannten Naturgeheimnisse durch ein vollorganisiertes Wesen.“
    „Wenn Sie recht haben, sind Sie also das absolut vollkommene Zukunftsgeschöpf?“
    „Das denke ich, denn es gibt nur eins, was größer und mächtiger ist als der Mensch.“
    „Und das ist?“
    „Die Zeit.“
    Plötzlich durchzuckte Dr. Imag ein Gedanke. „Herrgott, wenn das Anthropologin, wie Sie meine Erfindung nannten, die Kraft hatte, Sie hervorzubringen, könnte dann

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