Science Fiction Almanach 1983
stieß.
Denn, um es einmal recht banal auszudrücken, dort, wo man noch nicht war, d.h. wo man im Raum-Zeit-Gefüge seine Komplexschablone, sein Komplexmuster noch nicht eingeprägt hat, kann man sich auch nicht wiederfinden. Die Sacksche Zeitlinie ist in der Zukunft noch ein unbeschriebenes Blatt, während sie erst in der Vergangenheit die zur Sackschen Zeitreise erforderlichen Komplexschablonen, oder – wie Sack sie nannte –‚Plattern’ enthält.“ Roß verstummte, als ihn Bedford mit einer unwilligen Handbewegung unterbracht.
„Und was heißt das Ganze in normaler Sprache, klipp und klar?“
„Nichts anderes“, beeilte sich der Professor fortzufahren, „als daß Sie in der Zeit nur dorthin reisen können, wo Sie schon einmal waren.“
Bedford nickte. Roß’ Darlegung leuchtete ihm ein, obgleich er nur die Hälfte verstanden hatte. Aber was hatte das alles mit dieser Maschine hier zu tun? Er erhielt seine Antwort bald, als der Professor wieder das Wort ergriff.
„Soweit also zu Sack und seiner irrigen Annahme der relativen Bewegung zwischen Materie und Zeitlinie. Daß mit den Sackschen Plänen niemals eine Zeitmaschine erbaut und praktisch erprobt worden war, liegt daran, daß man die Auswirkungen der zwangshalber auftretenden Paradoxa vermeiden wollte. Das war auch der Grund, warum die §§ 533/34 eingeführt wurden. Man wußte nicht, welche Folgen ein Zeitparadox nach sich zieht, aber man ahnte nicht mit Unrecht, daß das Raum-Zeit-Gefüge erheblich erschüttert würde.
Nun, ich kann Ihnen jetzt eines mit Bestimmtheit sagen: Wenn man Sacks Maschine jeweils erbaut und ausprobiert hätte, die Experimente wären alle mißlungen.“
Bedford fuhr aus seiner gebückten Haltung auf. „Sie meinen, die ganzen hundert Jahre lang hat man etwas für illegal erklärt, was gar nicht funktioniert?“
„Genau das“, nickte Roß. „Woher sollte man denn wissen, daß Sack unrecht hatte? Experimentieren wollte man nicht, aus Furcht vor Paradoxa, und seine Berechnungen stimmten. Darauf, daß er eine, zwar allgemein akzeptierte, aber nichtsdestoweniger falsche Grundkonzeption angewandt hatte, kam man nicht.“
„Das … das hieße …“ Bedford verstummte verwirrt. Mehr als hundert Jahre lang hatten die Menschen eine Wissenschaft verfolgt, die von vornherein falsch war, die einem unerreichbaren Phantom nachjagte!
Und jetzt? Gab es jetzt die Lösung? Würden die Anti-Zeitreise-Gesetze gerechtfertigt oder abgeschafft werden?
Bedford blickte auf. „Sie haben den Beweis, daß Sack unrecht hatte? Sie besitzen die richtige Lösung?“
Roß nickte nüchtern.
„Und … wird jetzt auch das Zeitreisen in die Zukunft möglich?“
„Ja und nein, meinte der Professor lächelnd. „Ich sage ja, weil man sich tatsächlich in die Zukunft begeben kann, und ich sage nein, weil es nur eine sehr beschränkte Zukunft sein wird. Ebenso steht es mit der Vergangenheit. Sehen Sie, die Möglichkeit, die Edmund Sack außer acht gelassen hat, ist einfach die, daß zwischen Materie und Zeitlinie gar keine relative Bewegung herrscht!“
Bedford sprang auf und eilte mit langen Schritten in dem Kellerraum auf und ab, als ihm die ganze Tragweite des Gehörten klarwurde. „Aber … aber … das ist unmöglich! Das ist vollkommen hirnverbrannt! Zwischen Zeit und Materie muß doch eine Bewegung, eine Verschiebung stattfinden, denn …“, er suchte einen Augenblick krampfhaft nach Worten, „warum werden wir denn älter? Wenn Materie und Zeit relativ zueinander stillstehen, dann … hätten wir ja das ewige Leben!“
„O nein,“ meinte Roß mit feinem Lächeln. Bedford blieb stehen und starrte ihn verblüfft an.
„Wieso nicht?“
„Sehen Sie“, sagte der Professor
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