Science Fiction Almanach 1983
Gedanken wirbelte durch sein Hirn …
Und jetzt verstand ich. Jetzt verstand ich alles – das Vorschicken der Roboter – die ewige Verzögerung der Verhandlungen – die Unerreichbarkeit des Koordinators – und die Ausweglosigkeit unserer ganzen Situation. Und ich verstand auch, daß es für diese beiden – den Koordinator und das Erdwesen Marc, das die anderen für seinen Sohn hielten – nur eine Konsequenz geben konnte: Daß Gondor Ryan, der Sprecher der Ryl, dieses Schiff nicht mehr lebend verlassen durfte.
Eigentlich hätte ich es schon vor Minuten erkennen müssen – die Erklärung, weshalb ich keine Gedanken des Koordinators auffing, war mir doch so vertraut: Ein Ryl kann zwar in einem menschlichen Gehirn lesen, aber nicht in einem – positronischen …
Ja – der Koordinator war, trotz seines menschlich erscheinenden Körpers, trotz seiner tiefen, angenehmen Stimme, trotz seines Ranges und seiner Würde, kein Mensch – sondern ein Roboter. Das war das Geheimnis, das, wie ich aus den Gedanken des Erdwesens Marc las, selbst die wenigsten Menschen kannten.
Eigentlich war es – vom Standpunkt der Erdenwesen aus gesehen – nur konsequent. R 4141 war nicht müde geworden, mir die Vorzüge einer robotischen Politik zu preisen: Leidenschaftslos und logisch – schneller und sicherer reagierend als jedes lebende Gehirn – und unausweichlich an die Gesetze gebunden, die jeden einzelnen Menschen unverletzlich machten: So war das positronische Gehirn die ideale „Regierungsmaschine“. Und ein solches Gehirn in einem nach außen hin menschlichen Körper zu verbergen, war sicherlich ein geschickter Schachzug gegenüber Menschen, die sich einer Maschine nicht so freiwillig unterworfen hätten …
Aber gerade diese kristallklare Konsequenz und Logik ließ mich verzweifelt erkennen, wie aussichtslos die Lage für uns Ryl war; Wenn selbst der Weltkoordinator die oberste Macht im Reiche der Erdwesen – ein Roboter war, ein Roboter, dem nur Menschen unverletzlich waren, aber keine anderen Wesen, dann wurde unsere alte Sorge zur unausweichlichen, niederschmetternden Gewißheit.
Ich spürte in den Gedanken des Erdwesens Marc den Wunsch nach Vernichtung. Gedämpft durch Mitgefühl und die Überzeugung, daß ich ein unschuldiges Opfer sein würde, gewiß – aber angefacht durch die Überlegung: Jetzt ist es erst ein Ryl, der das Geheimnis kennt – aber wenn er es weitergibt, dann schwindet jede Aussicht, sich mit den Ryl noch zu verständigen! Besser ein Opfer – als einen Kampf der beiden Rassen, der Hunderttausende von Opfern fordern kann! Und – diese Überlegung war richtig …
„Nichts Vorschnelles, Marc!“ Mit hartem Griff packte die Hand des Koordinators – Stahl und Leichtmetall unter weicher Plastik-Muskulatur – den Arm des Erdwesens, der schon eine Strahlpistole gehoben hatte. „Zu einer solchen Konsequenz ist es immer noch früh genug!“
Und diese Worte gaben mir neue Kraft. Ich war nicht so hilflos, wie die beiden glaubten! Es ist richtig, daß unsere telepathischen Fähigkeiten normalerweise daran gebunden sind, daß wir dem Partner gegenüberstehen – aber in Todesgefahr, in äußerster Anspannung kann der geübte Ryl seine Brüder auch über weite Entfernungen erreichen.
Ich hörte nicht mehr, was die beiden sprachen – ich konzentrierte meine ganze Energie darauf, den Kontakt mit meinen Freunden aufzunehmen, die zu den alten Ruinen gefahren waren – ich spannte unwillkürlich die Fibern meiner Arme an, als könne ich sie herbeiziehen – spürte, wie alle Energie in mir nach innen floß – wie sich das Bild der Kabine vor meinen Augen verwischte
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