Science Fiction Almanach 1983
geschultert, vom Feuer weg; den Köcher mit den langfiederigen Giftpfeilen schleifte er lässig hinter sich her. Noch wollte er sein Interesse nicht zu deutlich zeigen; denn auch andere Jungjäger hatten Malias Liebreiz entdeckt. Tarak wollte weder Unghu noch Peta allzufrüh darauf aufmerksam machen, daß er, Tarak, sich um die Tochter von Nabar, dem Bärentöter, bemühte.
2
Nach der Meditation mußte Bernar, der vom Großen Rat der Stämme in der Elopa-Steppe eingesetzte Oberpriester, mit der Vorbereitung der Zeremonie beginnen. Die Regeln schrieben vor, daß der Ritus noch vor der Einnahme der abendlichen Mahlzeit, des einzigen gemeinsamen Essens am Tage, ausgeübt werden mußte. Bernar seufzte. Es waren immer die gleichen Vorbereitungen zu treffen, die Handgriffe waren ständig dieselben, und ob der Große R dadurch gnädiger gestimmt würde und dadurch das verheißene Glorreiche Zeitalter der Technik wiederkommen würde – der Oberpriester zuckte insgeheim mit den Achseln, erschrak aber gleichzeitig vor seiner eigenen Reaktion und seinen blasphemischen Gedanken.
Es durfte kein Zweifel aufkommen, daß der Große R gelebt hatte. Denn so stand es geschrieben. Und auch, daß er, zusammen mit seinen treuesten Jüngern und Chronisten, die Unsterblichkeit erlangt hatte.
Nie durfte er als Oberpriester am Wahrheitsgehalt der Verheißung auf Wiederkehr des Großen R zweifeln. Und beschlichen ihn doch Zweifel, dann mußte er sie gut verbergen. Denn bei den Stammesangehörigen der Hundskrieger wie bei den Angehörigen der übrigen Stämme in der Elopa-Steppe mußte der Glaube fest sein wie gewachsener Fels. Und dafür wollte er immer sorgen. Und wehe, es wagte einer gegen den Kult zu lästern, wie vor wenigen Sommern der Jungjäger Jew. Er hatte die Frechheit besessen zu behaupten, möglicherweise habe der Große R – gelobt sei sein Name, der nur auf dem heiligen Artefakt gelesen, aber nie ausgesprochen werden durfte, und gepriesen seine fünf Chronisten – gar nie gelebt; die Zeremonie sei daher ohne Wert. Bernars ganzer Zorn hatte Jew getroffen, und er hatte den Jungjäger mit einem harten Bann belegt, so daß in der Folge niemand unter den Stammesangehörigen es wagte, ihn mit Nahrung oder Kleidung zu versorgen, ihm Unterschlupf zu gewähren oder auch nur das Wort an ihn zu richten.
Ja, so wacker verteidigte der Oberpriester Bernar seinen Gott, den Großen R, denn daß die Stammesangehörigen bereit waren, ihn jeden Tag aufs neue mit allem Lebensnotwendigen zu versorgen, war abhängig davon, daß er ihnen den rechten Glauben erhielt und ihnen das „Objekt der Verehrung“ präsentierte.
Das „Objekt der Verehrung“.
Bernar schlug sich an die Stirn. Er mußte sich beeilen, die Zeremonie würde sogleich beginnen.
Schweißperlen auf der Stirn und der Nasenspitze, eilte der Oberpriester, so schnell ihn die Füße trugen, zur Hütte der Verehrung, in der das Heiligste aufbewahrt wurde.
Und mit aller gebotenen Sorgfalt machte er sich daran, die Schachtel aus Eichenrinde mit dem wertvollen Inhalt, der den Hundskriegern vom Großen Rat der Stämme zugeteilt worden war, vor der Hütte aufzubauen.
Aus den anderen Hütten näherten sich schon die erwachsenen Männer und Frauen des Stammes. Alle machten feierliche, erwartungsvolle Gesichter.
3
„Von meinem nächsten erlegten Bock bringe ich dir eine Keule.“ Mit diesem Versprechen trennte sich Tarak, der Jungjäger, von Malia. Gleich begann die Zeremonie. Bernar, der Oberpriester, wurde rasch unwirsch, wenn ein Angehöriger des Stammes zur abendlichen Kulthandlung zu spät kam.
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