Science Fiction Almanach 1983
wuchtig und drohend stand, saßen erstaunte, grimmige Männer. Sie waren an Niederlagen nicht gewöhnt und reagierten nun überhart, erfüllten ihr Soll um hundertfünfzig Prozent, Schaum vor dem Mund. Programmierte Straßensperren schossen wie Pilze nach einem warmen Sommerregen aus dem Boden, bald lag die Stadt in ihrem harten Griff, über die Sonne krochen – weiß, gelb, rot – der Schimmel und die Abfallpest.
Sie benutzten die Sonne, nachdem sie die irdische Tiefsee, den Mond und alle Planeten verseucht hatten, als letzte Abfallstation, und von dem so gepflanzten Baum fielen faule Früchte, die Sonnenflecken massierten sich wie nie, vernichteten manche wenigstens einträglich irdische Ernte, und man befürchtete nun, daß sich die Sonnenstrahlen so verändern könnten, daß die irdische Lufthülle diesem Wandel nicht mehr gewachsen war. Vor den Folgen solcher Manipulation floh keiner mehr, egal mit wieviel Geld.
3
Robert träumte von einer Wanderung im Hasbruch (inzwischen längst Sperrgebiet). Ein radioaktiver Gewitterregen war kurz zuvor niedergegangen, gewaltige, strahlende Pilze wucherten auf wispernden Flechten aus rotem Asbest, Rosen mit mächtigen Kelchen wehrten sich mit scharfen Krallen gegen Tiger, die sich behende auf sie schwangen und aus ihrem doppelten Rachen glühenden Feueratem hauchten. Fleischfressende Pflanzen verströmten opiatische Gerüche und lockten kahle, auf dem Boden hüpfende Vögel in ihre Mägen.
Ohne Sauerstoffmaske, Kettenhemd und Feuersbrunstlaser war Robert im Dschungel unterwegs, er wanderte auf Kieswegen, die vom Niederschlag zerfressen waren, zwischen Blumenfeldern, die im Fallout verdorrten, badete in blauen und violetten Seen unter gewaltigen Krokodilen, die ihn in Ruhe ließen, weil sie spürten, daß er zu einer anderen Sorte Mensch gehörte. Erst als ein Adler, der sich aus der Staatsflagge befreit zu haben schien, mit sechs blitzenden Krallenpaaren auf Robert niederstieß, suchte er Schutz unter rotem, knisterndem Laub.
Das gigantische Denkmal von Jerry Reisz in New York, dort, wo einst die Freiheitsstatue gestanden hatte, löste sich unter den heraufziehenden Giftschwaden auf, bröckelte ab, die Trümmer stürzten in die zischende, brodelnde See, und die verständigen Alligatoren öffneten ihre Rachen und verschlangen ihren Erzeuger. Robert lag unter seiner roten Laubdecke und wußte, sich allein zu behaupten und daß hier niemand einen Vor wand fand, ihn zu gängeln.
Und just bei diesem Traum umschlang ihn von hinten ein starkes, aufrecht gehendes Tier, das er nicht sehen konnte, weil es unsichtbar war, und von dem Robert gleich dachte, daß es die ausgeplünderten Seelen vieler Industriearbeiter in seiner Brust vereinigte, was ihm seine Stärke und Wut verlieh. Als einzig sichtbares Zeichen trug das Tier in seinem Rachen zwei Reihen Zähne, die blitzten wie blankpolierte Fleischerhaken, diese schlug es in Roberts Genick und wütete in seinem stolzen, teuren Synthetikfleisch, bis er erkannte, daß dies nur ein Traum sein durfte. Alsbald ließ das Tier von ihm ab und verschwand winselnd im rauschenden Wald, und die Bäume nickten mit ihren Köpfen traurig dazu.
Zuletzt träumte er von frischer Luft, von blauem Himmel und klarem Wasser, dabei orientierte er sich an alten Postkarten, die er unter größten Schwierigkeiten und dem Schleier äußerster Diskretion in der Altstadt bei einem Händler erworben hatte. Er träumte von einem Fluß, in dem die Fische nicht mit den Bäuchen nach oben zur Nordsee trieben, von einer heiteren Weser, auf der Ausflugsdampfer verkehrten und die den Menschen in der Regel
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