Science Fiction Almanach 1983
gewisse Freiheit gewähren.
Was ich zu erzählen habe, erfuhr ich von Robert oder aus der Verzauberten Wand, oder ich habe es mir, mit Glück und Geschick, aus den Informationsbänken von Knife geraubt, letzteres freilich ist ein außerordentlich gefährliches Spiel. Ich speichere meine Geschichte, die mit Roberts Schicksal so eng verbunden ist, auf einer Magnetnotiz, um ein Zeichen von meinem Leben zu geben. Die Chance, daß jemals davon Kenntnis genommen wird, ist äußerst gering.
Bald werden sie Robert auswechseln, sein Bewußtsein dabei durchforschen, um es zu beschneiden, und auf bestimmte Unregelmäßigkeiten stoßen. Dann werden sie herbeieilen, um mich kurzzuschließen und in die Tiefe der Unbewußtheit zu stoßen. Ich werde dann wieder Verdrahtung und Schaltung sein, Spitzel und Denunziant, ein fragwürdiges Zeichen des ausschließlich technischen Fortschritts, mit dessen Hilfe sie die Versklavung der Menschheit immer perfekter betreiben.
2
Auf dem dritten Kommissariat tickte eine Eilmeldung ein. Der wachhabende Beamte riß den Druckstreifen aus dem Magnetschreiber, raste in den Bereitschaftsraum, fetzte den Männern das Kartenspiel aus der Hand und hetzte die Sonderstreife los. Sie hatten freie Bahn mit der morgendlichen Stille, die sie zerrissen mit quietschenden Reifen, als sie um die Kurven schleuderten, und mit ihrer frenetischen Sirene. Ihr Einsatzbefehl war klar: Paul Delvaux – stellen, verhaften und markieren! Mehr wußten sie nicht, und mehr fragten sie nicht. Sie waren diszipliniert, pflichterfüllt und eifrig dabei, sie waren Profis und Experten und warfen keine überflüssigen Probleme auf.
Der wachhabende Offizier reichte den Druckstreifen weiter, der Kommissar wog das Band in der Hand, tastete es ab mit Fingern und Verstand. Paul Delvaux, dachte er, man legt ihm Konsum verbrechen zur Last. Was hatte jener konkret getan? Er hatte die vorgeschriebene Summe längst angespart, und man hatte ihm einen günstigen Kredit gewährt, der Kaufpreis war damit voll, doch nun weigerte sich Delvaux, amputiert und verstärkt zu werden. Das war nicht zu begreifen. Daß es immer noch Menschen gab, die zu ihrem Glück gezwungen werden mußten!
Gierigen Bluthunden gleich, stürmten sie den Himmelsturm, sprengten die Tür des Paul Delvaux, drangen mit gezogenen Laserkarabinern in die Wohnung ein, die Fleischerhaken baumelten an ihren Gürteln herab. Die feinsinnige Elektronik (mein unbewußter Bruder!) brachte, noch ganz auf ihren alten Herrn eingeschworen, lautstarke, schnarrende Proteste vor. Sie brachten es allgemein nicht fertig, die Elektroniken so rasch umzustellen, wie ihre Willkür umschlug und neue, unbekannte Methoden ersann. Immerhin hatten sie die Elektroniken generell so weit, daß sie nicht mehr die Menschenrechte argumentativ zu Hilfe nahmen.
Der zweite Dienstmann war drauf und dran, ihr das heißglühende Gehirn auszupusten, ihre Stimme damit zu ersticken, da schaltete der Rottenführer auf Handbetrieb, und gurgelnd ertrank die Stimme, als habe man ihr den Hals zugedrückt. Sie schnippten mit den Fingern Rundum-Mikrofone aus der Wand und gaben durch, daß ihr Raid erfolglos verlaufen war. Ehe sie gingen, vergewisserten sie sich noch einmal, daß sie keinen Fehler gemacht hatten, nahmen der Elektronik ihren Gedächtnisteil, versiegelten dann die Tür, befestigten, unter der Klinke geschickt getarnt, ein mörderisches Guillotineschloß und sanken schweigend und nachdenklich zum Ausgang hinab.
Im Polizeihaus, einer rotbraunen Backsteinfestung aus dem XX. Jahrhundert, die wie ein Raubritternest oder eine Trutzburg im Stadtkern Bremens
Weitere Kostenlose Bücher