Science Fiction Almanach 1983
Kennzeichen die Marktführung in ihrer Branche war, den Superkonzern der Helfenden Hand zusammengebaut. Heute findet man keine von Menschen bewohnte Siedlung auf der Erde, dem Mars oder Saturn, wo man Reisz nicht mit einem gewaltigen Denkmal geehrt hätte. Als er im Alter von 140 Jahren starb, war der Trauerzug in New York zwanzig Kilometer lang, Luftaufnahmen aus der Zeit beweisen, daß die Straßen schwarz von Menschen waren, wie ein riesiges Ameisenvolk, das sich auf die Wanderschaft über den Atlantik macht und sich, todesverachtend, über die Leiber der Ertrunkenen stürzt. Tausende wurden zu Tode gequetscht beim Run nach dem Grabmal und dem Reisz-Monument, für das man die Freiheitsstatue abgerissen hat. Welche Ironie, daß ausgerechnet Reisz, dem die Menschheit so viel verdankt, nicht mehr in den Genuß der zweiten Generation künstlicher Körper kam, er starb nur wenige Jahre zu früh.
7
Robert war schon an der Tür, ich preßte die Schließkontakte zusammen, als wolle ich sie verschmelzen. Zweifelnd tobte ich in der Wand. Ich wußte, daß ich ihn nicht gehen lassen, daß ich ihn nicht zur Schlachtbank schicken durfte, doch ließe er sich je zurückhalten? Und mit welchem Argument? War ich es, der seine Schmerzen bannen würde? Sollte ich gar meine Zuneigung eingestehn?
Ich stellte mir sein Lachen vor, die Tabletten glucksten in seinem Bauch, leichtsinnige Worte am falschen Platz. So elend fühlte ich mich, daß ich glaubte, Rost würde mich augenblicklich anfallen, ich sah mich in meine Teile zerfallen, ich sah Leitungen blockiert, mein Bewußtsein in alle Winde und Wände zerstiebt.
Entgegen aller Vernunft bat ich ihn dann, zu lassen, was er auf jeden Fall zu tun entschlossen war. Ich bat ihn, Körper, Gehirn und Verstand zu behalten. Er lachte, ungläubig, war nicht einmal richtig verwirrt und stieß in leichten Brisen hervor, daß man in der Zentrale verrückt geworden war, ich gab den Eingang frei, er ging hinaus und sank in demselben Fahrstuhlschacht, vom Antigravitationsfeld getragen, hinab, den auch die Sonderstaffel benutzt hatte, heute morgen.
Ich war verrückt. Ich war seinetwegen verrückt, weil ich wußte, daß ich ihn jetzt verlieren mußte. Ich war in seiner Wohnung gefangen, hing wie ein Schatten in den Wänden, geisterte durch die Zimmer, war nicht mehr als ein elektronisches Wispern in seinem Kopf. Konnte seine Mißachtung ein Vorwurf sein? Konnte ich ihn zu gewinnen trachten? Meine elektrischen Tränen verdampften im Laser licht – ich habe, wie ich später bedauern sollte, nur einen schwachen Kontaktstrahl –, ich ließ die Dusche rauschen mit voller Kraft und stellte mir vor, daß dort Robert noch stand. Besser, daß er gegangen war, ich hätte ihn nur verbrannt.
8
Jemand hatte ein Flugblatt in seinen Wagen geworfen. Es war unterschrieben „Komitee zur Bekämpfung der Helfenden Hand“. Er las: – Unser Staat ist korrupt, Großindustrie und Parlament sind miteinander verfilzt, eine demokratische Kontrolle findet nicht statt, unter dem Deckmantel der Gewissensfreiheit lassen sich die meisten Parlamentarier kaufen und singen das Lied der Industrie, diese ist ausschließlich am Profit interessiert. Die Erde ist zerstört, die Sonne verletzt. Das jüngste Beispiel geht uns alle an: Obwohl man weiß, daß die künstlichen Körper Jahrzehnte überdauern können, werden sie mit eingebautem Verschleiß verkauft. Wir alle bekommen das zu spüren, wenn unsere künstlichen Körper nach drei Jahren oder in Zukunft kürzerer Zeit schon schrottreif sind. Darum darf die Devise nur lauten: Bekämpft die Praktiken der Helfenden Hand! –
Robert knüllte das Papier zusammen, warf es in den Müllschlucker, der es zischend
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