Science Fiction Almanach 1983
schon die Romane, in denen die Menschheit ihre Katastrophen selbst produziert. In der Regel geraten dabei – durchaus realistisch – neue Energiequellen oder die Atomkraft außer Kontrolle. Es müssen auch nicht unbedingt B. Andrews kosmische Urgewalten ( Duell im Kosmos; Feldmann, 1957; Tödliche Strahlen; Feldmann, 1954) und ähnlich nebulöse Dinge sein, die terranische Wissenschaftler vergeblich zu bändigen versuchen. Ausdruck literarischer Reaktion auf Atombomben-Angst („Gleichgewicht des Schreckens“) und der damit verbundenen Ostermarschbewegung dürften Romane sein, in denen Außerirdische rechtzeitig erscheinen, um den Atomkrieg zwischen Ost und West abzuwenden (Beispiele: W. Newhome, Die Aera des Friedens; Bewin, 1966; C Morris, Jenseits Sol; Bewin, 1957; Winston Brown, Der silberne Schatten; Fresco, 1956; E. Terridge, Und sie kamen vom Sirius; Hönne, 1956; B. Torsholm, Tah Rana; Brunnen, 1958, und Invasion der Sky-Men; Bewin, 1959).
Eigentlich eine Ungeheuerlichkeit, den Menschen die Fähigkeit abzusprechen, sich selbst aus ihrer Misere befreien zu können. Ausdruck einer Denkart, in der besondere Mythen (wie der vom Krieg) gedeihen können, in der man hysterisch auf den politischen Gegner starrt. Die Undurchschaubarkeit politischer Zusammenhänge (ein Zustand, der sich bis heute nicht geändert hat) nährte wohl bei Lesern wie Autoren die Hoffnung, eine überlegene Himmelsmacht möge erscheinen, um auf der Erde nach dem Rechten zu sehen, und dabei so klar verständliche und erkennbare Gegebenheiten schaffen wie zum Beispiel die Vernichtung aller Atomwaffen. Als Diskussionsbeitrag zur Ostermarsch-Bewegung oder zur heutigen Friedensbewegung waren und sind diese Romane jedenfalls denkbar ungeeignet. Man mag in ihnen die Tendenz begrüßen, Atombomben und -krieg als Gefahr erkannt zu haben, die Lösungsvorschläge sind indes irrational.
Zwei Romane ragen aus dem Üblichen heraus. E. H. Richter verläßt in Die Vulkane brechen aus (Hönne, 1953) das gewohnte Handlungsschema von Bedrohung-Notstand-Junta-Rettung. Ihm geht es hier mehr um die Darstellung von Individuen in besonderen Situationen. Ein Irrstern ist mit der Erde kollidiert und ruft starke vulkanische Aktivität mit furchtbaren Folgen hervor. Die Ordnung bricht überall zusammen. In diesem Chaos macht sich ein Mann auf die Suche nach seinem Mädchen. Die Stimmung der Trümmerlandschaft im Nachkriegsdeutschland wird (übertragen) sehr gut eingefangen. In der Geschichte finden sich soviel Kraft und Farbe, wie wir es bei einem Leihbuch kaum für möglich gehalten hätten. (Interessanterweise veröffentlichte der Autor diese bessere Arbeit unter seinem richtigen Namen.)
Alan D. Smith erzählt in Atomexplosion Kobalt (Reihenbuch, 1954) von dem amerikanischen Atomphysiker Professor Ernest Arbet, der erkennt, zu welch furchtbaren Zwecken seine Arbeit und seine Forschungen mißbraucht werden sollen. Er denkt nach, reflektiert und weigert sich schließlich aus moralischen Gründen, an der Schaffung noch wirksamerer Vernichtungswaffen mitzuwirken. Die US-Regierung stempelt ihn zum Verräter ab und verfolgt ihn. Aber Arbet besitzt genug menschliche Größe, um sich nicht korrumpieren zu lassen, und kann endlich seine Würde zurückerlangen. Ein sehr spannender Roman, in dem bis zum Schluß die Gefahr eines Atomkrieges in der Luft hängt. Die Parallele zu J. R. Oppenheimer ist nicht zu übersehen. Das Ende scheint etwas idealistisch (so einfach geht es wohl doch nicht), aber insgesamt muß der Roman als Beispiel für die positiven „Roots“ der Leihbuch-SF
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