Science Fiction Almanach 1983
Wirklichkeit Schritt halten. Darüber hinaus sind sie zerstreut, von Emotionen bewegt und häufig auf Improvisationen angewiesen. Wir erwarten von der kybernetischen Maschine, daß sie in derselben Zeit etwas besser arbeitet.
Stafford Beer
Auf dem Schreibtisch lagen zwei Bücher. Das eine lag aufgeschlagen da, es war ein Lehrprogramm über Ergodentheorie in der Form eines „Scrambled Book“. Das andere trug den Titel: Spezielle Untersuchungen zur Bio-Statistik, Teil A – Berechnungen kultureller Trends in großen Grundgesamtheiten.
Ein roter Druckbleistift lag quer über dem Schreibblock, quer über den flüchtig hingeworfenen Schriftlinien, die außer dem Verfasser kaum jemand entziffern konnte. Abriebreste eines Radiergummis waren über die unterste Zeile verkrümelt. Der letzte Satz brach mitten im Wort ab:
Doch ich glaube nicht, daß dieser gesellschaftliche Trend durch irgendwelche hochsignifikanten Ergebnisse noch wider …
Die folgenden Worte waren sorgfältig ausradiert worden. Über den breiten rechten Rand waren in der gleichen Schrift zwei Differentialgleichungen geschrieben worden. Ein Klammerzeichen faßte sie zusammen. Ein Fragezeichen deutete die Zweifel des Autors an.
Der Autor lag mit angezogenen Knien seitlich auf einer zerknautschten Bettdecke auf dem Fußboden. Neben dem Kopfkissen lagen seine nackten Füße. Sein Schlafanzug lag sauber gefaltet auf dem Bett; er hatte dunkelblaue und hellbraune Längsstreifen.
Der Autor mochte Ende der Zwanzig sein. Sein linker Arm streckte sich lang über den Fellteppich. Die dazugehörige Hand lag mit der Innenfläche nach oben. Die Fingerspitzen berührten gerade noch das dunkelbraune Leder einer aufgeklappten Brieftasche, aus der Geldscheine und Führerschein und Rechnungen herausgefallen waren. Aus einem schmalen Seitenfach ragte ein Eckchen einer Farbphotographie.
Der Kopf des Autors war in einem unnatürlichen Winkel nach hinten gebogen. Der Mund stand weit offen.
Dann kam das Geräusch.
Stepan Hofman schreckte aus dem Schlaf. Das Weckgeräusch klang unangenehm in seinen Gehörgängen nach. Der Alkohol vom vorhergehenden Abend spülte noch immer durch seinen Kreislauf und hatte gewisse Nervenenden in überempfindliche Schmerzfühler verwandelt. Unwillig wollte er sich auf die andere Seite wälzen.
„Think! Think! Think!“ sagte eine metallische Stimme.
„Wie bitte?“ Ungläubig drehte Hofman seinen Kopf zur Wand, wo er den Lautsprecher vermutete. Er bereute die hastige Bewegung sofort. Er hatte einen wirklich unübertrefflichen Kater …
„Hier spricht die zentrale Datenverarbeitungsanlage der Mondstadt. Das Management hat den Auftrag gegeben, die Mitarbeiter der IBM frühmorgens mit dem Leitspruch der Firma zu begrüßen.“
„Das hat mir gerade noch gefehlt“, seufzte Hofman. „Auf Empfehlung eines Blechkastens von Rechenmaschine schon am frühen Morgen denken zu sollen …“
Kopfschüttelnd setzte er sich auf den Rand des Bettes. Das Stechen und Bohren und Rumpeln in seinem Schädel überzeugte ihn rasch, daß solche Bemühungen Versuche am falschen Objekt waren. „Das Management und seine geistreichen Einfälle,“ stöhnte er. Dann tappte er zu dem Wandschränkchen mit den Medikamenten. Als langjähriger Junggeselle, der die Freuden des Daseins zu schätzen wußte, hatte Hofman sich nach und nach eine Sammlung von Heilmitteln zugelegt, mit denen er allen denkbaren Fährnissen eines solchen Daseins begegnen konnte. Als Mathematiker war er den Umgang mit Zufallsprozessen und relativen Wahrscheinlichkeiten geübt …
Die
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