Science Fiction Anthologie Band 3 - Die Vierziger Jahre 1
Überredungskünsten nicht nachgab?
Er würde niemals nachgeben.
„Sieh“, wisperte der fremde Geist, „sieh dich als eine wertvolle Facette eines Supergeistes mit einem Intelligenzquotienten von zwölfhundert, sieh dich als einen Teil davon, der seine Rolle zu Ende gespielt hat. Und jetzt kehrst du zu einem Normalzustand zurück. Du warst ein Schauspieler, der völlig in seiner Rolle aufgegangen ist, aber das Spiel ist aus. Du bist allein in deinem Ankleideraum und wischst dir die Schminke ab. Die Atmosphäre des Spiels schwindet, schwindet, schwindet …“
„Geh zum Teufel!“ sagte William Leigh laut. „Ich bin William Leigh, Intelligenzquotient einhundertundzwölf und vollauf zufrieden mit dem, was ich bin. Ich schere mich nicht darum, ob du mich aus den elementaren Bestandteilen deines Gehirns aufgebaut hast, oder ob ich normal geboren wurde. Ich weiß, was du mit diesem hypnotischen Suggestions-Kram bezweckst, aber es funktioniert bei mir nicht. Ich bin hier. Ich bin ich selbst. Und ich bleibe ich selbst. Geh und suche dir einen anderen Körper, wenn du so klug bist.“
Schweigen senkte sich dort, wo seine Stimme gewesen war. Und die Leere, das vollständige Fehlen jeglichen Lautes, brachte die Angst erneut zurück.
Er hatte sich so stark auf diesen inneren Kampf konzentriert, daß er sich keiner äußeren Bewegung bewußt war, bis er mit einem herzbeklemmenden Schreck bemerkte, daß er aus einem Lukenfenster hinausblickte. Schwarze Nacht breitete sich vor ihm aus, die lebende Nacht des Weltraums.
Ein Trick, dachte er, und das Entsetzen in ihm wurde zu derart grauenvoller Qual, daß er beinahe laut aufgeschrien hätte, ein Trick, der irgendwie bezwecken sollte, die vergehende Kraft der Hypnose zu verstärken. Er versuchte zurückzuspringen und mußte zu seinem Schreck feststellen, daß er es nicht konnte. Sein Körper gehorchte ihm nicht. Er versuchte zu sprechen und die ihn umhüllende Wand der gespenstischen Stille mit Worten zu durchdringen. Aber kein Ton kam.
Kein Muskel zuckte, kein Finger bebte; kein einziger Nerv seines Körpers zitterte auch nur.
Er war allein.
Abgeriegelt in seiner kleinen Gehirndecke.
Enthoben.
„Ja, enthoben“, kam das eigenartig mitleidsvolle Wispern eines Gedankens, „enthoben einer kümmerlichen Existenz, enthoben einem Leben, dessen Ende vom Augenblick der Geburt an bereits in Sicht ist, enthoben einer Zivilisation, die schon tausend verschiedene Male vor sich selbst gerettet werden mußte. Selbst du, glaube ich, vermagst einzusehen, daß du all diesem für immer enthoben und entronnen bist.“
Leigh dachte angestrengt: Das Ding versucht die Fundamente einer noch größeren Niederlage zu legen, indem es die Ideen stetig wiederholt und mir meine Niederlage bildlich vor Augen führt. Es war der älteste Trick eines einfachen Hypnotismus für einfache Leute. Er durfte ihm nicht nachgeben.
„Du hast“, drängte der Geist unerbittlich, „die Tatsache akzeptiert, daß du deine Rolle zu Ende gespielt hast, und jetzt hast du unser Einssein erkannt und gibst die Rolle auf. Der Beweis für dieses Erkennen deinerseits tritt zutage in deiner Übergabe der Kontrolle über unseren Körper.“
„…Unseren Körper, unseren Körper …“
Die Worte widerhallten wie ein titanenhaftes Geräusch tosend in seinem Gehirn und vermischten sich dann rasch mit den ruhigen, durchdringenden Gedankenschwingungen des anderen Geistes: „… Konzentration. Aller Intellekt leitet sich von der Fähigkeit ab, sich zu konzentrieren; und mit wachsendem Intellekt zeigt der Körper selbst zunehmendes Leben und reflektiert diese wachsende, emporstrebende Kraft.
…Ein Schritt bleibt noch: Du mußt sehen …“
Erstaunlicherweise blickte er plötzlich in einen Spiegel. Wo er hergekommen war, vermochte er nicht zu sagen. Er befand sich dort, einen Meter vor ihm, wo noch ein Sekundenbruchteil zuvor das schwarze Bullauge des Schiffes gewesen war. Etwas begann sich in ihm zu formen, vorerst noch gestaltlos.
Langsam und wohlbedacht wurde seine Sicht geklärt. Er sah. Und dann sah er nichts mehr!
Sein Gehirn weigerte sich zu sehen. Es verzerrte sich in irrsinniger Verzweiflung wie ein Körper, der lebendig begraben wurde und sich seines grauenhaften Schicksals für einen kurzen, gräßlichen Augenblick bewußt wird. In rasendem Wahnsinn versuchte sein Gehirn dem flammenden, blendenden Ding im Spiegel zu entfliehen. So entsetzlich war die Anstrengung, so titanisch die Angst, daß er sinnlos zu plappern begann,
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