Science - Fiction Kurzgeschichten (German Edition)
selbst und schloss die Augen. Plötzlich klopfte es zaghaft an seiner Tür.
»Ist offen«, sagte Professor Baltor. Er konnte schon erahnen, wer während dieser Momente bei ihm sein wollte. Die Tür öffnete sich und Tessa kam herein. »Ich dachte mir schon, dass du es bist.«
»Zu solch einer Zeit will ich eben bei meinem Ehemann sein«, sagte sie und schloss die Tür hinter sich.
»Und ich will, dass du bei mir bist«, sagte Professor Baltor und rückte auf dem schmalen Bett ein kleines Stück beiseite. Tessa verstand die Einladung ihres Mannes richtig und legte sich zu ihm.
»Ich hoffe die Auslosung geht schnell vorbei und wir können bald alles hinter uns lassen«, sagte Tessa und atmete einmal tief durch.
»Das hoffe ich auch«, stimmte ihr Professor Baltor zu.
»Ratsherr Norum wird dem Volk sagen, dass wir wiederkommen werden, um sie abzuholen«, erklärte Tessa.
»Er wird ihnen also Hoffnung geben. Sehr gut«, befürwortete Professor Baltor diese Entscheidung.
»Genau wie du es vorgeschlagen hattest«, sagte Tessa. »Auch wenn die Hoffnung eine Lüge ist.«
»Es ist besser, als den sicheren Tod vor Augen zu haben.«
»Ja. Vielleicht«, sagte Tessa und drückte sich fester an ihren Mann.
Die nächsten Wochen verliefen hektischer als je zuvor. Die Gewinner des Losverfahrens trafen allmählich auf dem Raumschiff ein. Begleitet wurden sie von zehntausenden von Demonstranten und Unruhestiftern, die alles dafür taten um an Bord zu gelangen, oder einem der Gewinner gewaltsam eines ihrer Lose abzunehmen. Die Armee hatte alle Hände voll damit zu tun, die ungewollten Gäste unter Kontrolle zu halten und die glücklichen Gewinner vorbei an den Massen in das Raumschiff zu bringen. Zäune aus dicken Metallstangen waren errichtet worden, bewaffnete Soldaten zielten ununterbrochen auf die bedrohlich wirkenden Demonstranten, alles um die Sicherheit des Raumschiffes und ihrer Passagiere zu gewährleisten. Es verging kaum ein Tag, an dem es nicht zu einem Durchbruch der Sicherheitslinie kam und die Armee gewaltsam eingreifen musste.
Professor Baltor konnte dem Treiben nur aus einem der vielen kleinen Bullaugen folgen. Das Raumschiff zu verlassen war ihm und jedem der an Bord war untersagt worden. Noch mehr Chaos konnte das Sicherheitspersonal unter Direktor Sikka einfach nicht vertragen. Es war schon ein beeindruckendes und zugleich beängstigendes Schauspiel, das Professor Baltor dort geboten bekam. Er konnte den Unmut der Demonstranten sehr gut nachvollziehen. Auch wenn Ratsherr Norum versprach wiederzukommen, so gab es genug intelligente Wesen dort draußen, um genau zu wissen, dass dieses Versprechen nicht eingehalten werden konnte. Zu dieser Lüge gesellte sich dann noch die Tatsache, dass das Raumschiff mit mehreren zig tausend Litern Wasser gefüllt war und auf dem Planeten selbst nahezu jede Quelle erschöpft war. All das schürte den Hass und die Wut in den Demonstranten und ließ sie verzweifelt gegen den Meter hohen Zaun aus Stahl anrennen.
In diesen Tagen fand niemand an Bord des Raumschiffes seinen Schlaf. Zu laut drangen die Rufe und Schreie der Unruhestifter an die Ohren der Passagiere. Es gab nicht wenige unter ihnen, die sogar einen Anschlag befürchteten, der das Raumschiff flugunfähig machen sollte. Das Sicherheitspersonal untersuchte daraufhin jeden Tag das gewaltige Schiff nach Bomben ab. Was aufgrund der schieren Größe dieses Kolosses eine Menge an Zeit kostete. Unzählige Korridore mit schmalen Nischen, die diversen Schlafräume, in denen mehrere hundert Passagiere auf schmalen Betten untergebracht worden, die Sanitäreinrichtungen, die Wohnräume für den Rat, all diese Dinge mussten jeden Tag aufs Neue abgesucht zu werden. Jeder Passagier war in den Augen der Armee ein möglicher Verdächtiger. Zumindest jeder, der sich ihrer Meinung nach seltsam verhielt. Was unter den Passagieren schnell für Aufregung sorgte und den Eindruck der Diskriminierung vermittelte. Auch Professor Baltor erlebte das harte Vorgehen der Soldaten mit. Nicht an sich selbst. Er genoss dank seiner Beziehung zu Tessa eine gewisse Immunität. Doch die anderen, weniger privilegierten Passagiere mussten so Einiges über sich ergehen lassen. Viel dagegen unternehmen konnte er nicht. Direktor Sikka betonte immer wieder, dass alles im Namen der Sicherheit geschehe. Professor Baltor und auch Tessa wussten es natürlich besser. Direktor Sikka wollte nur seine Machtposition ausnutzen und sie vor allem stärken. Was er nicht
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