Scream
werde dich mit Hamilton zusammen in einen Käfig sperren. Du bist nicht besser als diese Mistkerle, die du hinter Gitter gebracht hast.
»Wissen Sie, wo Victor jetzt ist?«
»In sicherer Verwahrung.«
»Ich möchte mit ihm reden.«
Fletcher schmunzelte und legte den Kopf schräg. »Reden? Mir scheint, Ihnen steht der Sinn nach etwas ganz anderem.«
»Sagen Sie mir, wo er ist.«
»Victor legt, glaube ich, keinen Wert auf Ihre Gesellschaft.« Fletcher lachte.
»Dann bringen Sie mich zu Alan Lynch.«
»Wenn Sie schonen möchten, was Ihnen lieb und teuer ist, und wenn Ihnen noch etwas daran liegt, den Sandmann zu stellen, müssen Sie sich nach mir richten.«
Jack blickte zum Haus zurück. Er hatte Taylor verloren. Rachel wurde von Albträumen geplagt. Seine Freundschaft zu Mike ging in die Brüche. Und als er dann an die nächste Familie dachte, wie sie ahnungslos und vertrauensvoll beisammen war, verrauchte seine Wut. Übrig blieben Verzweiflung und Angst. Einer weiteren Familie drohte der Untergang. Er musste sie retten.
»Wir können unser Gespräch auf der Fahrt nach Marblehead fortsetzen. Vorher möchte ich, dass Sie sich das hier anhören.« Fletcher hielt eine Audiokassette in der Hand.
»Was ist da drauf?«
»Meine Unterhaltung mit Victor. Sie wird Ihre Vorstellungskraft in Schwung bringen.«
Fletchers schwarze Augen waren so unergründlich und rätselhaft wie die tiefsten Regionen des Meeres.
»Kommen Sie mit, Detective. Ich verschaffe Ihnen Einblicke, über die Sie staunen werden.«
LVIII
Der Anruf kam kurz nach sechs in der Früh. Einer der Sicherheitskräfte bog gerade mit einem Becher Kaffee und einem Schreiben in den Händen in den Korridor ein, als er den Tumult draußen vor dem Krankenzimmer bemerkte. Eric Beaumont war aufgewacht.
Eine Stunde später standen Jack und Duffy in einem leeren Zimmer auf der dritten Etage des Newton-Wellesley Hospitals. Vor dem Haupteingang hatte sich eine lärmende Horde von Reportern versammelt, die mit Mikrophonen und Kassettenrecordern herumfuchtelten. Sie hatten erfahren, dass der Junge aufgewacht war, und drängten darauf, den behandelnden Arzt über Erics Zustand zu befragen.
Der Arzt aber ließ sich nicht blicken. Duffy hatte das Gerücht gestreut, um die Reporter an einen zentralen Ort zu locken. Erfolgreich. Ihnen war nicht aufgefallen, dass ein Krankenwagen vorgefahren war und zwei Männer vor dem Eingang zur Notaufnahme abgesetzt hatte.
»So geht das schon die ganze Woche«, seufzte Duffy. »In der ersten Nacht ist einer vom Personenschutz auf dem Nachhauseweg von Pressefritzen regelrecht attackiert worden. Daraufhin habe ich meinen Männern befohlen, ein paar Sachen zu packen und nachts hierzubleiben. Zustände sind das …«
Jack trank aus der Kaffeetasse, die Duffy ihm gebracht hatte, und blickte auf das Gewimmel hinab. Seine Augen folgten einem Fotografen mit Kamera und großem Teleobjektiv, der sich von der Menge absetzte. Wahrscheinlich schleicht er sich ums Haus herum, um zu sehen, ob die Rollos im Zimmer des Jungen hochgezogen sind.
Seit gut zwanzig Minuten warteten sie auf Dr. Stan Temple, Erics Therapeuten. Duffy hatte Jack davon berichtet, dass Eric Beaumont schon in jungen Jahren von seinem alkoholkranken Vater Roger Beaumont misshandelt worden war; als Vierjähriger hatte er nach einer Prügelstrafe aus nichtigem Anlass – er hatte Cornflakes verschüttet – mit einer schweren Gehirnerschütterung eine Woche im Krankenhaus liegen müssen.
Fünf Jahre später kam für Erics Mutter Karen der Wendepunkt. Sie war mit Freunden essen, als ihr die Nachricht von einem Verkehrsunfall übermittelt wurde. Roger war unverletzt geblieben, aber betrunken (typisch); Eric befand sich in einem kritischen Zustand. Die Ärzte hatten ihm bereits eine Niere entfernt.
Karen reichte daraufhin die Scheidung ein, die ein Jahr später rechtsgültig wurde.
Die Ursachen für Erics psychisches Koma während der vergangenen sechs Tage lagen auf der Hand, dachte Jack.
Unerklärlich blieb, warum der Junge mit dem inzwischen trockenen Vater wieder Kontakt aufgenommen hatte. Auf Erics Drängen hin und nach mehreren Gesprächen mit Therapeuten und Anwälten hatte man sich darauf geeinigt, dass Eric ein Wochenende bei seinem Vater verbringen sollte. Ebenso das folgende. Man vereinbarte ein drittes Treffen für den Abend, an dem Erics Eltern getötet wurden.
»Haben Sie Sally Dowling in den Nachrichten gesehen?«, fragte Duffy. Er hatte sich frisch rasiert,
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