Scream
Hose und das Höschen herunterzog. Dann lehnte er seine Stirn an ihren Bauch und schloss die Augen. Ihre Haut zu spüren war wie frisches Wasser, das über ausgetrocknete Lippen rinnt. Der Zitronenduft ihres Parfüms, das sie sich auf die Innenseiten der Handgelenke getupft hatte, mischte sich mit der salzigen Luft. Ihm war, als kehrte er nach Hause zurück, in vertraute Wärme und Sicherheit.
Sie zupfte ihm das Hemd aus der Hose. Er stand auf und war im Nu entkleidet, hob sie vom Boden auf und trug sie zur Hauswand neben der Fliegengittertür. Sie stöhnte leise auf, als sie ihn in sich aufnahm. Den Rücken an der Hauswand abgestützt, schlang sie die Beine um seine Hüften und drückte sich an ihn. All seine Ängste, die Last der vergangenen Tage und die schrecklichen Bilder vom Tatort verloren sich in einer Flut von Küssen, Schweiß und Flüsterlauten. Er sah sich in weißes Wasser eintauchen, wo es weder Schreie noch Schmerzen gab. Hier, in diesem Himmel zwischen Haut und Haut, fand er Trost und Zuversicht.
Wenig später spürte er, wie es unter heißem Druck aus ihm herausbrach. Als er zu beben aufgehört hatte, drückte er sie an sich und ließ sich mit ihr auf dem Balkon nieder. Taylor küsste seine Stirn und Wangen. Ihr heißer Atem streifte sein Ohr. Er strich ihr das Haar von den Schultern und fuhr mit den Lippen über die salzige Feuchte auf ihrem Hals. Er wollte nie mehr von ihr lassen.
Durch den Schleier ihrer Haare fiel sein Blick auf Mikes Zettel, der zusammengefaltet aus seiner Jeanstasche hervorlugte und ihn aufrüttelte wie ungestümes Türklopfen in tiefer Nacht als Vorzeichen unerträglicher Nachrichten.
VII
Alan Lynch, der Leiter der ISU, jener FBI-Abteilung, die sich unter anderem mit der Aufdeckung von Serienstraftaten befasste, saß im Fond eines Taxis, das in hohem Tempo durch die kurvenreichen Straßen von La Jolla schoss. Es ging auf fünf Uhr in der Früh zu, und alle Häuser – neu gebaute, millionenteure Villen aus Stein und Glas – waren dunkel unter einem lavendelblauen Himmel.
Um sechs Uhr am vergangenen Abend, als er zum ersten Mal seit über drei Wochen wieder zusammen mit seiner Familie am Esstisch gesessen hatte, war er von Paul DeWitt angerufen worden, dem dreiunddreißigjährigen MIT-Absolventen und Administrator der Computerzentrale des FBI, einer streng abgesicherten Einrichtung in Harrison County, West Virginia. DeWitt hatte ihm mitgeteilt, was ihm während einer routinemäßigen Überprüfung des Dokumentationssystems aufgefallen war. Es waren schlechte Nachrichten.
Dr. David Gardner arbeitete als Psychiater für das Behavioral Modification Program, kurz BMP, ein vom FBI entwickeltes und durchgeführtes Forschungsprogramm über die Möglichkeiten zur Korrektur sozial abweichenden Verhaltens. Gardner, so DeWitt, habe am dritten, vierten und fünften Juni, also an allen Tagen des Wochenendes, die in La Jolla gelegene Forschungseinrichtung aufgesucht, sich über einen Laptop in die Patientendatenbank eingeloggt und jedes Mal über fünf Stunden online gearbeitet, was sehr ungewöhnlich war, weil er sonst, wie die Protokolle zeigten, allenfalls einmal in der Woche diese Datenbank aufrief.
Der eigentliche Grund für den Anruf aber war ein anderer. Gardner hatte Urlaub genommen – den ganzen Juni über und die erste Juliwoche – und sich ordnungsgemäß im System abgemeldet. Danach hätte er sich wieder anmelden müssen.
Doch schon seit Wochen war von Dr. Gardner kein Wort mehr zu hören gewesen.
Eine Überprüfung der Todesanzeigen war ergebnislos geblieben. Man hatte ihn immer wieder zu Hause, in seinem Büro und über Handy zu erreichen versucht. Ebenfalls vergeblich. Als sich zwei Agenten Zutritt zu seinem Haus verschafften, fanden sie eine leere Wohnung vor, die offenbar erst vor kurzem gründlich gesäubert worden war. Der Kühlschrank enthielt keinerlei verderbliche Lebensmittel, der Gefrierschrank jedoch war voll. Bei der Polizei war keine Vermisstenanzeige aufgenommen worden.
Nach dem Anruf von DeWitt hatte sich Alan mit Henry Munn in Verbindung gesetzt, dem Leiter des Notfallschutzteams beim BMP, und ihn gebeten, Nachforschungen anzustellen. Munn war zuständig für die Geheimhaltung der Patientendaten und des Forschungsprogramms.
Patienten, die aus irgendwelchen Gründen abtauchten, hatte es immer wieder gegeben, aber ein verschollener Arzt – das war neu.
Das Taxi bog nach rechts ab. Durch die Windschutzscheibe sah Alan mehrere Streifenwagen in der
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