Scream
Chefbüro, wo der Direktor auf seinem Sessel am Konferenztisch saß, den Blick auf ein aufgeschlagenes Heft mit rotem Einband gerichtet. Auf einem Regal an der Wand gegenüber standen fünf Fernsehgeräte. Sie waren stumm geschaltet und strahlten die Programme unterschiedlicher Nachrichtensender aus, die alle von ein und demselben Vorfall berichteten: dem Bombenanschlag in San Diego.
Direktor Harrison Paris rührte sich nicht, als die Tür aufging. Bei seinem Anblick dachte Alan an eine Puppe, gerade erst ausgepackt aus ihrem Geschenkkarton. Paris wirkte wie geleckt in seinem maßgeschneiderten beigefarbenen Anzug, dem frisch gebügelten weißen Hemd und der blauen Krawatte. Das graue Haar war messerscharf gescheitelt, der graumelierte Schnauzbart sorgfältig getrimmt. Die blank polierten Spitzen seiner schwarzen Schuhe reflektierten das Licht der Deckenbeleuchtung.
Alan nahm auf dem Stuhl links neben Paris Platz, legte seine Akten auf den Schreibtisch und schlug die Beine übereinander. Paris las ungerührt in seinem Heft.
»Ein Mann meldet sich anonym per Notruf und verlangt nach einem Rettungsteam für eine Familie, auf die angeblich geschossen wurde«, sagte Paris, ohne aufzublicken. »Die Polizei stürmt ins Haus und findet einen Mann vor, gefesselt, aber am Leben. Seine Frau und die Kinder sind grausam getötet worden. Zehn Minuten später geht ein C4-Sprengsatz hoch.«
Alan stützte einen Ellbogen auf den Tisch, stützte die Stirn in die Hand und schloss die Augen. Paris fuhr fort:
»Ein ähnliches Bild im Fall der zweiten Familie. Aber diesmal ist die Polizei vorbereitet. Sie fordert ein Sprengstoffkommando an. Dessen Leiter findet einen Laptop, der ans Telefonnetz angeschlossen ist. Ein Anruf, und sechs Blöcke Semtex H hätten im näheren Umkreis alles zerstört. Zum Glück für uns alle ist die Bombe nicht explodiert.«
Alan erinnerte sich an Munns letzte Worte, gesprochen auf seinen Anrufbeantworter: Die Bombe war ein Laptop in der Deckenverkleidung, verbunden mit dem hauseigenen Sicherheitssystem und aktiviert über Gardners Zugangscode. C4 an einer Zeitschaltuhr in Gardners Büro. Gleiche Konstruktion, gleiche Bauteile.
»Der Laptop, den man im Haus der Dolans gefunden hat, und derjenige, über den die Bombe in unserer Forschungseinrichtung gezündet wurde, sind ein und dasselbe Modell«, stellte Paris fest. »Und nicht nur das. Sie stammen aus unseren Beständen und lagerten in unserer Einrichtung in La Jolla.«
Himmel. Alan schlug die Augen auf und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Wie ist er daran gekommen?«
»Das ist die Frage.«
»Hat er sonst noch was mitgehen lassen?«
»Raten Sie mal, woher er den Sprengstoff hatte?«
Alan beugte sich vor. »Was haben C4 und Semtex in einer Forschungseinrichtung verloren?«
»Wir arbeiten mit einem Unternehmen zusammen, das Taggants für Sprengstoffe entwickelt. Das sind Marker, die sich auch nach einer Explosion aufspüren lassen und darüber Aufschluss geben, woher der Sprengstoff stammt. Dank eines solchen Markers hat Mark Graysmith die Verbindung zwischen Marblehead und La Jolla herstellen können.«
»Weiß sonst noch jemand Bescheid?«
»Keine Ahnung. Aber Graysmith hat angefangen, Fragen zu stellen. Er will wissen, was es mit dieser Forschungseinrichtung auf sich hat, er klopft auf den Busch. Ich habe Leute auf ihn angesetzt, damit sie verhindern, dass er … Was ist los, Alan?«
»Kennen Sie Mark?«
»Nein.«
»Aber ich. Er hat schon häufiger mit uns zusammengearbeitet.«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Er ist verdammt hartnäckig. Man nennt ihn auch den Terrier. Wenn er sich in etwas festgebissen hat, lässt er nicht mehr locker.«
»Keine Sorge. Der Fall wird ihm entzogen.«
»Das hält ihn nicht davon ab, weiter seine Nase hineinzustecken.«
»Wollen Sie mich belehren, wie ich meinen Job zu machen habe?«
»Ich sage nur, dass wir vorsichtig sein müssen. Mark ist sehr intelligent.«
»Ich war acht Jahre lang Chef der CIA, Alan. Ich weiß, wie eine verdeckte Operation zu laufen hat.«
Alan hielt sich zurück. Paris hatte seine eigenen Vorstellungen und nur wenig Interesse an der Meinung seiner Untergebenen.
»Wie mir mitgeteilt wurde, haben Sie einen –«, Paris warf einen Blick auf seine Notizen, »Trojaner im System entdeckt, mit dessen Hilfe der Patient die Firewall umgehen und sich ins System einloggen konnte.«
»Richtig. Das Programm scheint schon vor einiger Zeit installiert worden zu sein. Falls er noch
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