SdG 06 - Der Krieg der Schwestern
dessen war er sich sicher. Sie waren einst als Gefangene der Malazaner an die gleiche Kette gekettet gewesen, ging das Gerücht. Heboric wünschte sich, dass die Malazaner hinsichtlich des Toblakai weniger Barmherzigkeit gezeigt hätten.
»Ich werde dich jetzt verlassen«, sagte Felisin, als sie den mit Backsteinen eingefassten Rand der Grube erreichten. »Wenn ich wieder einmal Lust habe, mit dir zu streiten, werde ich dich aufsuchen.«
Heboric verzog das Gesicht zu einer Grimasse und nickte, dann machte er sich daran, die Leiter hinunterzuklettern. Die Luft um ihn herum wurde schichtweise kühler, während er ins Dämmerlicht hinabstieg. Sie roch schwer und süß nach Durhang – eine von Leomans Vorlieben, was den ehemaligen Priester dazu brachte, sich zu fragen, ob die junge Felisin nicht sehr viel mehr auf den Spuren ihrer Mutter wandelte, als er gedacht hatte.
Der Kalksteinboden war nun mit Teppichen bedeckt. Reich verzierte Möbelstücke – die tragbare Art, die wohlhabende, reisende Kaufleute bevorzugten – ließen das geräumige Zimmer überfüllt erscheinen. Hier und da standen Paravents an den Wänden; das auf Holzrahmen gespannte Gewebe zeigte Szenen aus der Mythologie der Stämme. Wo die Wände sichtbar waren, hatten die schwarzen und ockerroten Malereien eines alten Künstlers den glatten, gerippten Stein in vielschichtige Landschaftsbilder verwandelt – Savannen, in denen durchsichtige Tiere umherstreiften. Aus irgendwelchen Gründen blieben diese Bilder für Heborics Augen klar und scharf, flüsternde Erinnerungen an Bewegung an den Rändern seines Blickfelds.
Alte Geister wandelten in dieser Grube, für immer zwischen den hohen, glatten Wänden gefangen. Heboric hasste diesen Ort mit all seinen gespenstischen Schichten von Versagen, von Welten, die schon lange untergegangen waren.
Toblakai saß auf einem Diwan ohne Rückenlehne und rieb Öl in die Klinge seines hölzernen Schwerts. Er machte sich nicht die Mühe aufzublicken, als Heboric den Fuß der Leiter erreichte. Leoman lag ausgestreckt auf ein paar Kissen in der Nähe der gegenüberliegenden Wand.
»Geisterhand«, rief der Wüstenkrieger grüßend. »Du hast Hen’bara? Komm her, da drüben steht eine Kohlenpfanne, und da ist Wasser – «
»Ich trinke diesen Tee immer nur, kurz bevor ich zu Bett gehe«, erwiderte Heboric und schritt durch den Raum. »Du wolltest mit mir sprechen, Leoman?«
»Aber jederzeit, mein Freund. Hat die Erwählte uns nicht ihr geheiligtes Dreieck genannt? Uns drei, die wir hier in dieser vergessenen Grube hocken? Oder habe ich vielleicht die Worte durcheinandergebracht und sollte ›geheiligt‹ und ›vergessen‹ in umgekehrtem Sinn verwenden? Komm, setz dich. Ich habe Kräutertee – die Sorte, die einen wachsam macht.«
Heboric setzte sich auf ein Kissen. »Und weshalb sollten wir wachsam sein?«
Leomans Lächeln wirkte befreit. Daraus schloss Heboric, dass der Durhang die übliche Zurückhaltung des Wüstenkriegers weggewischt hatte. »Mein lieber Geisterhand«, murmelte der Krieger, »es ist ein existenzielles Bedürfnis der Gejagten. Schließlich ist es die Gazelle mit der Nase am Boden, die der Löwe zum Abendessen verspeist.«
Der Ex-Priester zog die Brauen hoch. »Und wer pirscht sich gerade an uns an, Leoman?«
Der Angesprochene lehnte sich zurück. »Wie? Die Malazaner natürlich. Wer sonst?«
»Nun, dann müssen wir natürlich miteinander reden«, sagte Heboric mit gespielter Ernsthaftigkeit. »Ich hatte schließlich nicht die geringste Ahnung, dass die Malazaner vorhaben, uns Schaden zuzufügen. Sind deine Informationen denn auch zuverlässig?«
Toblakai wandte sich an Leoman. »Wie ich dir schon vorhin gesagt habe – der alte Mann sollte getötet werden.«
Leoman lachte. »Ach, mein Freund, nun, da du der Einzige von uns dreien bist, für den die Erwählte noch immer ein offenes Ohr hat … wie es aussieht … würde ich vorschlagen, dass du dieses Thema aufgibst. Sie hat es dir verboten, und Schluss damit. Im Übrigen bin ich sowieso nicht geneigt, dir zuzustimmen. Es ist ein alter Refrain, der längst begraben sein sollte.«
»Toblakai hasst mich, weil ich zu deutlich erkenne, was seine Seele quält«, sagte Heboric. »Und in Anbetracht der Tatsache, dass er geschworen hat, nicht mehr mit mir zu sprechen, sind seine Möglichkeiten, Gespräche zu führen, traurigerweise begrenzt.«
»Ich muss deinem Einfühlungsvermögen Beifall zollen, Geisterhand.«
Heboric schnaubte. »Wenn es
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