SdG 06 - Der Krieg der Schwestern
stehen. Ein kurzer Blick nach rechts zeigte ihm, dass das Gebäude vor ihm seine Vorderfront der Hauptstraße zuwandte; dahinter befand sich ein offener Platz, genau wie am Westtor, und gleich dahinter war der Rand der Stadtmauer zu sehen. Zu seiner Linken und deutlich näher endete das Gebäude an einer hölzernen Einzäunung, die von Ställen und Anbauten flankiert wurde. Karsa richtete seine Aufmerksamkeit wieder nach rechts und lehnte sich etwas weiter vor.
Die drei malazanischen Soldaten waren nirgends zu sehen.
Irgendwo hinter ihm läutete noch immer die Glocke, doch die Stadt wirkte merkwürdig verlassen.
Karsa rannte auf den Pferch zu. Er erreichte ihn, ohne dass es Alarmrufe gegeben hätte, sprang über das Geländer und bewegte sich an der Wand des Gebäudes entlang auf den Eingang zu.
Er stand offen. In dem Vorzimmer dahinter gab es Unmengen Haken, Gestelle und Regale für Waffen, doch all diese Waffen waren entfernt worden. In der stickigen, staubigen Luft hing die Erinnerung an Furcht. Karsa ging langsam in das Vorzimmer hinein. Gegenüber befand sich eine weitere Tür. Sie war geschlossen.
Ein einziger Tritt ließ sie krachend nach innen fliegen.
Dahinter war ein großer Raum mit Feldbetten auf beiden Seiten. Der Raum war leer.
Das Krachen, mit dem die Tür aufgesprungen war, verhallte; Karsa duckte sich unter dem Türrahmen hindurch, richtete sich dann auf und schaute sich witternd um. Das Zimmer roch nach Anspannung. Er spürte so etwas wie eine Präsenz – jemand oder etwas war noch immer hier, schaffte es jedoch irgendwie, unsichtbar zu sein. Der Krieger bewegte sich vorsichtig vorwärts. Er lauschte auf Atemgeräusche, hörte nichts, machte einen weiteren Schritt.
Die Schlinge fiel von oben herab, glitt über seinen Kopf und auf seine Schultern. Dann ein wilder Schrei, und sie schloss sich eng um seinen Hals.
Als Karsa sein Schwert hob, um das Hanfseil zu durchtrennen, sprangen hinter ihm vier Gestalten herunter; ein kräftiger Ruck ging durch das Seil und hob den Teblor von den Füßen.
Plötzlich erklang von oben ein splitterndes Geräusch, gefolgt von einem unzusammenhängenden Fluch, dann brach der Kreuzbalken; das Seil erschlaffte. Die Schlinge um Karsas Hals allerdings blieb stramm. Unfähig, Luft zu holen, wirbelte er herum, schwang das Schwert in einem waagerechten Hieb – der nichts als leere Luft durchschnitt. Die malazanischen Soldaten hatten sich bereits auf den Boden fallen lassen und zur Seite weggerollt.
Karsa zerrte das Seil von seinem Hals und ging dann auf den nächsten zurückkriechenden Soldaten los.
Magische Energie hämmerte von hinten auf ihn ein, eine wilde Woge hüllte ihn ein. Er kam kurz ins Straucheln und schüttelte sie dann mit einem wilden Aufschrei ab.
Er schwang sein Schwert. Der Malazaner vor ihm machte einen Satz nach hinten, doch die Schwertspitze erwischte ihn am rechten Knie und zerschmetterte das Gelenk. Der Mann schrie auf und brach zusammen.
Ein Netz aus Feuer fiel auf Karsa herab, ein ungeheuer schweres Geflecht aus Schmerz ließ ihn in die Knie gehen. Er versuchte, danach zu schlagen, doch die flackernden Fäden wichen seinen Hieben aus. Das Netz begann sich zusammenzuziehen, als wäre es lebendig.
Der Krieger kämpfte gegen das sich immer stärker zusammenziehende Geflecht an, war jedoch binnen weniger Augenblicke vollkommen hilflos.
Die ganze Zeit über waren die Schreie des verwundeten Soldaten zu hören, bis eine harte Stimme einen Befehl bellte und ein unheimliches Licht in dem Raum aufflackerte. Dann verstummten sie abrupt.
Gestalten drängten sich um Karsa, eine kauerte in der Nähe seines Kopfes. Ein dunkelhäutiges, narbiges Gesicht, ein kahler, tätowierter Schädel. Als der Mann lächelte, blitzte es golden auf. »Ich gehe davon aus, dass du die Sprache der Nathii verstehst, ja? Das ist gut. Du hast gerade Humpels schlimmes Bein noch um einiges schlimmer gemacht, und er wird bestimmt nicht glücklich darüber sein. Trotzdem – dass du uns sozusagen in den Schoß gefallen bist, ist mehr als ein Ausgleich für den Hausarrest, unter dem wir stehen – «
»Wir sollten ihn kaltmachen, Sergeant – «
»Das reicht, Scherbe. Glocke, geh und such den Sklavenmeister. Sag ihm, dass wir seine Beute haben. Er wird sie bekommen, aber nicht umsonst. Oh, und sei leise – ich will nicht, dass sich da draußen die ganze Stadt mit Fackeln und Mistgabeln aufbaut.« Der Sergeant blickte auf, als ein anderer Soldat herbeikam. »Gute Arbeit,
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