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SdG 07 - Das Haus der Ketten

SdG 07 - Das Haus der Ketten

Titel: SdG 07 - Das Haus der Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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schnell, dass sich in seinem Kielwasser eine schäumende Woge bildete –, und seine Krallen waren weit gespreizt, die riesigen, mit Klauen versehenen Hände griffen nach unten.
    L’oric bedeckte sein Gesicht und seinen Kopf mit den Armen, als die gewaltigen schuppigen Finger sich wie ein Käfig um ihn schlossen und ihn himmelwärts rissen.
    Ein kurzer, wirrer Blick auf die Hunde, die vor dem Schatten des Drachen auseinander spritzten – halbmenschliches Winseln und Schreien, das aus weiter Ferne heranwehte –, und dann war vor seinen Augen nur noch der glänzend weiße Bauch des Drachen, den er zwischen zwei gekrümmten Krallen hindurch sehen konnte.
    Er wurde weit getragen, hinaus aufs Meer und dann zu einer Insel, auf der ein gedrungener Turm stand, dessen flaches Dach breit und stabil genug war, damit der Drache, dessen weit gespreizte Schwingen tosend durch die Luft peitschten, darauf landen konnte.
    Die Klauen öffneten sich, ließen L’oric auf die von tiefen Furchen durchzogenen, zerkratzten Steine rollen. Er rollte bis zu der niedrigen Mauer, die die Plattform umgab, und setzte sich dort langsam auf.
    Und starrte den riesigen goldenen und weißen Drachen an, dessen funkelnde Augen ihn – wie L’oric instinktiv wusste – tadelnd betrachteten. Der Hohemagier brachte ein Schulterzucken zustande.
    »Hallo, Vater«, sagte er, »ich habe dich gesucht.«
     
    Osric war niemand, der an Mobiliar und Ausstattung Gefallen fand. Das Zimmer unter der Plattform war leer, der Fußboden mit dem Kot nistender Schwalben übersät, und es roch stechend nach Vogelmist.
    L’oric lehnte mit verschränkten Armen an einer Wand und betrachtete seinen Vater, der pausenlos auf und ab ging.
    Er sah aus wie ein reinblütiger Liosan, groß und hell wie Schnee, die langen, welligen Haare silbern und von goldenen Strähnen durchzogen. In seinen Augen schien ein inneres Feuer zu wüten, und ihre Farbe glich der seiner Haare – Silber, durchzüngelt von Gold. Er war in schlichtes graues Leder gekleidet, und das Schwert an seinem Gürtel war praktisch identisch mit dem, das sein Sohn trug.
    »Die Königin der Träume glaubt, du seist verschollen, Vater«, sagte L’oric nach einiger Zeit.
    »Das bin ich. Oder genauer, ich war es. Und ich will auch, dass es so bleibt.«
    »Du traust ihr nicht?«
    Osric blieb stehen und musterte seinen Sohn kurz. »Natürlich traue ich ihr«, sagte er dann. »Und mein Vertrauen zu ihr wächst umso mehr, je weniger sie weiß. Was machst du hier?«
    Manchmal ist die Sehnsucht nach etwas eindeutig der Wirklichkeit vorzuziehen. L’oric seufzte. »Ich weiß nicht einmal genau, wo dieses ›hier‹ eigentlich ist. Ich habe nach … Wahrheiten gesucht.«
    Osric gab ein undefinierbares Geräusch von sich und begann erneut auf und ab zu gehen. »Du hast vorhin gesagt, du hättest nach mir gesucht. Wie hast du meine Spur gefunden?«
    »Das habe ich nicht. Meine Suche nach dir war eher … äh … allgemeiner Natur. Und mein gegenwärtiger Ausflug galt einer ganz anderen Jagd.«
    »Bei der du beinahe getötet worden wärst.«
    L’oric nickte. Er blickte sich im Zimmer um. »Lebst du hier?«
    Sein Vater verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Dies ist ein Aussichtspunkt. Die Himmelsfestungen der K’Chain Che’Malle kommen ausnahmslos von Norden, über das Wasser.«
    »Himmelsfestungen … solche wie Mondbrut?«
    Ein verschleierter Blick, dann ein Nicken. »Ja.«
    »Und in Rakes fliegender Festung hast du das erste Mal die Spur aufgenommen, die dich hierher geführt hat. Was hast du entdeckt, das der Lord der Dunkelheit übersehen hat?«
    Osric schnaubte. »Nur das, was genau vor seinen Füßen gelegen hat. Mondbrut hat Spuren von Beschädigungen gezeigt. Jemand muss gewaltsam in die Festung eingedrungen sein, und dann hat es ein Gemetzel gegeben. Nichtsdestotrotz haben ein paar überlebt, zumindest lange genug, um sich auf die Heimreise zu machen. Nach Norden, über die Eisfelder. Natürlich ist die Festung niemals über eben diese Eisfelder hinausgekommen. Hast du gewusst, dass der Gletscher, in dem Mondbrut eingeschlossen war, mit seiner Beute tausend Längen gewandert war? Er war tausend Längen gewandert, L’oric, ehe Rake und ich nördlich des Laederon-Plateaus über die Festung gestolpert sind.«
    »Willst du damit sagen, dass Mondbrut ursprünglich eine der Himmelsfestungen war, die hierher gekommen sind?«
    »Das war sie. Drei sind angekommen, seit ich hier bin. Keine hat die Begegnung mit den

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