SdG 08 - Kinder des Schattens
notwendigerweise schlecht sein muss«, fuhr Brys fort.
»Das stimmt, für sich betrachtet, muss es nicht notwendigerweise schlecht sein.«
»Es sei denn, Ihr als offizieller Repräsentant des Königs und nomineller Anführer der Delegation hättet vor, den Absichten des Kaufmanns auf Eure eigene Weise entgegenzuwirken. Von den Interessen abzuweichen, die Buruk den Edur zu präsentieren beauftragt wurde.« Um den kleinen Mund des Ersten Eunuchen spielte die Andeutung eines Lächelns.
Nichts weiter, doch Brys hatte verstanden. Sein Blick wanderte zu dem Fenster hinter Nifadas. Wolken schwammen trübe durch das blasige, gewellte Glas. »Nicht gerade Hulls Stärke«, sagte er.
»Nein, darin sind wir uns einig. Sagt mir, Finadd, was wisst Ihr von dieser Freisprecherin, Seren Pedac?«
»Ich kenne nur ihren Ruf. Aber es heißt, sie besäße hier in der Hauptstadt ein Haus. Obwohl ich nie gehört habe, ob sie ihm auch gelegentlich einen Besuch abstattet.«
»Selten. Das letzte Mal vor sechs Jahren.«
»Ihr Name ist makellos«, sagte Brys.
»In der Tat. Aber man muss sich fragen … Sie ist schließlich nicht blind. Und, wie ich folgere, auch nicht gedankenlos.«
»Ich würde vermuten, dass das nur die wenigsten Freisprecher sind, Erster Eunuch.«
»So ist es. Nun, ich danke Euch für Eure Zeit, Finadd. Sagt mir«, fügte er hinzu, während er langsam aufstand und dadurch andeutete, dass die Audienz zu Ende war, »habt Ihr Euch schon damit angefreundet, der Kämpe des Königs zu sein?«
»Ah, recht gut, Erster Eunuch.«
»Dann ist die Bürde für jemandem, der so jung und gesund ist wie Ihr, also leicht zu tragen?«
»Nicht leicht. Das würde ich nicht behaupten.«
»Es ist nicht bequem, aber möglich.«
»Eine treffende Beschreibung.«
»Ihr seid ein ehrlicher Mann, Brys. Als einer der Ratgeber des Königs bin ich mit meiner Wahl zufrieden.«
Aber du hast das Gefühl, ich sollte daran erinnert werden. Warum? »Das Vertrauen des Königs ehrt mich, Erster Eunuch – und natürlich auch das Eure.«
»Ich möchte Euch nicht länger aufhalten, Finadd.«
Brys nickte, drehte sich um und verließ das Arbeitszimmer.
Ein Teil von ihm sehnte sich nach den alten Zeiten zurück, als er nur einfach ein Offizier der Palastgarde gewesen war. Als er noch kein politisches Gewicht besessen hatte und die Anwesenheit des Königs immer mit einem gewissen Abstand verbunden gewesen war, während Brys und seine Kameraden bei offiziellen Audienzen und Treffen entlang einer Wand Haltung angenommen hatten. Andererseits, dachte er weiter, während er den Korridor entlangschritt, hatte der Erste Eunuch ihn wegen seines Blutes zu sich gerufen, nicht wegen seiner neuen Position als Kämpe des Königs.
Hull Beddict. Er war wie ein ruheloser Geist, verflucht dazu, ihn heimzusuchen, ganz egal, wo er auch hinging, ganz egal, was er auch tat. Brys erinnerte sich daran, wie er seinen ältesten Bruder gesehen hatte, strahlend in seiner Wächteruniform, den Pfeil des Königs an seinem Gürtel. Ein letztes und folgenschweres Bild für den jungen, leicht zu beeindruckenden Burschen, der er vor all den Jahren gewesen war. Dieser Moment hatte sich ihm eingeprägt, war zu einer in der Zeit erstarrten Szene geworden, in die er sich in seinen Träumen oder in nachdenklichen Augenblicken wie diesem begab. Ein gemaltes Bild. Brüder, ein Mann und ein Junge, alle beide zersprungen und vergilbt unter dem Staub. Dann pflegte er den naiven, gutgläubigen Gesichtsausdruck des Jungen zu mustern, als wäre er ein Fremder, und er folgte dessen erhobenen Blick und verlagerte schließlich, unbehaglich und misstrauisch gegenüber dem Stolz des Soldaten geworden, seinen eigenen.
Unschuld war eine ruhmreiche Klinge, doch sie konnte beide Seiten blind machen.
Er hatte zu Nifadas gesagt, er verstünde Hull nicht. Doch er tat es. Nur zu gut sogar.
Er verstand auch Tehol, wenn auch vielleicht ein kleines bisschen weniger gut. Die Belohnungen in Gestalt unermesslichen Reichtums hatten sich als kalt erwiesen; nur das hungrige Verlangen nach diesem Reichtum zischte vor Hitze. Und diese Tatsache gehörte zur Welt der Letherii, war die spröde Schwachstelle im Herzen des goldenen Schwerts. Tehol hatte sich selbst in dieses Schwert gestürzt und schien es zufrieden zu sein zu verbluten, langsam und mit liebenswürdiger Fassung. Was für eine letzte Botschaft er auch immer mit seinem Tod übermitteln wollte, es war Zeitverschwendung, denn niemand würde in seine Richtung
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