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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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noch hören. Dramatisches Zischen und Kratzen an der Unterseite des Deckels. Selbst für mich war es in gewisser Weise lästig.«
    »Nun, lasst uns hoffen, dass Ublala nichts Dummes getan hat.«
    Sie kletterten nach oben.
    Der Himmel im Osten verblasste, aber die Luft war noch kühl. Der Leibwächter blickte sie an, bis sie Notiz von ihm nahmen, dann deutete er auf den Fluss.
    Dort drängte sich die Flotte der Edur, Hunderte von Langbooten und Transportschiffen, eine dunkle Woge aus Segeln. An den vorderen Schiffen waren Ruder aus den Flanken der Rümpfe geglitten. Die Landung würde binnen eines Glockenschlags beginnen.
    Tehol musterte sie einen Augenblick, dann blickte er nach Nordwesten. Die weißen Rauchsäulen der Schlacht vom Vortag waren verschwunden; nur ein Flecken schwarzen Rauchs von der Feste schwebte noch in der Luft und wurde hoch über dem Horizont von den ersten Sonnenstrahlen angeleuchtet. Über der Weststraße hing eine Staubwolke, die näher kam, während die Sonne höher stieg.
    Eine ganze Weile sagten weder Tehol noch Shurq ein Wort, dann drehte Letztere sich um und meinte: »Ich muss gehen.«
    »Seid vorsichtig«, sagte Tehol.
    Sie blieb am oberen Ende der Leiter stehen. »Und Ihr solltet hier bleiben, Tehol Beddict. Auf diesem Dach. Mit dem Leibwächter an Eurer Seite.«
    »Ein vernünftiger Ratschlag, Shurq Elalle.«
    »Wenn Gerun Eberict eine Chance sieht, wird er kommen, um mit Euch abzurechnen.«
    »Und mit Euch.«
    Ein schepperndes Gebimmel vom fernen Westtor verkündete das Näherkommen der Edur-Armee.
    Die Diebin verschwand durch die Dachluke.
    Tehol stand da und blickte nach Westen. Sein Rücken wurde wärmer, und er wusste, dass dies ein heißer Tag werden würde.
     
    Eine von Nisalls Händen ruhte auf der Schulter des Königs, doch Brys konnte sehen, dass die Erste Konkubine dem Zusammenbruch nahe war. Sie hatte fast die ganze Nacht bei Ezgara Diskanar Wache gehalten, als könnte Liebe allein den Mann vor allen Gefahren schützen. Die Erschöpfung hatte den König einschlafen lassen, und er hockte jetzt auf dem Thron wie ein Leichnam – zusammengesunken, mit hängendem Kopf. Die Krone war irgendwann im Laufe der Nacht heruntergefallen und lag nun neben dem Thron auf dem Podest.
    Triban Gnol, der Kanzler, war vorhin da gewesen, doch beim letzten Wachwechsel wieder gegangen. Seit dem Verlust der Königin und des Prinzen und dem Verschwinden Turudal Brizads wirkte er alt und verhutzelt und strich wie eine geisterhafte Erscheinung durch die Korridore, ohne mit jemandem zu sprechen.
    Finadd Moroch Nevath war verschwunden, doch Brys vertraute darauf, dass der Schwertkämpfer da sein würde, wenn die Zeit kam. Trotz allem, was er durchgemacht hatte, war er ein tapferer Mann, und nicht eines der Gerüchte, die sich um sein Verhalten bei Hochfort drehten, war es in Brys’ Augen wert, dass man auch nur einen Mund voll Spucke verschwendete, um es auszusprechen.
    Nifadas, der Erste Eunuch, hatte gemeinsam mit Brys Beddict die Verantwortung für die noch im Palast verbliebenen Soldaten übernommen. Die Eingänge in sämtliche Flügel wurden von jeweils mindestens dreißig Wachen versperrt; die einzige Ausnahme bildete der Weg des Königs, wo der Ceda in seinem Wahnsinn darauf bestand, dass niemand außer ihm selbst dort bleiben durfte. In der Stadt jenseits des Palasts waren Finadd Gerun Eberict und seine Leute sowie die Stadtgarde überall in Letheras verteilt; es waren zu wenige, um die Tore zu halten oder die Wälle zu verteidigen, doch sie waren nichtsdestotrotz bereit zu kämpfen – zumindest vermutete Brys, dass dem so war, denn er hatte den Thronsaal schon längere Zeit nicht mehr verlassen, und Gerun war noch nicht wieder aufgetaucht, seit ihm das Kommando über die Stadtgarnison übertragen worden war.
    Von Nifadas abgelöst hatte der Kämpe des Königs sich auf einer Bank nahe des Haupteingangs zum Thronsaal ausgeruht und bei dieser Gelegenheit ein halbes Dutzend Glockenschläge lang überraschend fest geschlafen. Diener hatten ihn mit dem Frühstück aufgeweckt, so dass der neue Tag mit beinahe schon unwirklicher Normalität begonnen hatte. Brys, der in seinen nass geschwitzten Kleidern unter der Rüstung fröstelte, aß rasch, stand dann auf und ging zu Nifadas, der an der gegenüberliegenden Wand auf einer Bank saß.
    »Erster Eunuch, nun ist es für Euch an der Zeit, Euch auszuruhen.«
    »Dazu besteht keine Notwendigkeit, Kämpe. Ich habe kaum etwas getan und bin ganz und gar

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