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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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nicht müde.«
    Brys blickte seinem Gegenüber in die Augen. Sie blickten scharf und wachsam, ganz anders als der schläfrige Blick, den Nifadas normalerweise zeigte. »Also gut«, sagte er.
    Der Erste Eunuch lächelte ihn an. »Unser letzter Tag, Finadd.«
    Brys runzelte die Stirn. »Es besteht kein Anlass anzunehmen, dass die Edur irgendeinen Grund haben sollten, Euch zu töten, Nifadas. Euer Wissen wird gebraucht werden, so wie das des Kanzlers.«
    »Mein Wissen, ja. Eine angemessene Vermutung, Finadd.«
    Mehr sagte der Erste Eunuch nicht.
    Brys warf einen Blick zum Thron, schritt hinüber. Er trat zu Nisall. »Erste Konkubine, er wird noch einige Zeit schlafen.« Er nahm ihren Arm. »Macht Euch keine Sorgen«, sagte er, als sie sich zu widersetzen begann, »nur bis zu der Bank da drüben. Nicht weiter.«
    »Wie, Brys? Wie konnte alles in sich zusammenbrechen? Und so schnell? Ich verstehe das nicht.«
    Er erinnerte sich an die geheimen Treffen, in denen Nisall und Unnutal Hebaz und Nifadas und der König ihre Züge und Gegenzüge in den alles verschlingenden Intrigenspielen des Königlichen Haushalts geplant hatten. Damals schien ihr Vertrauen unerschütterlich gewesen zu sein, und Klugheit hatte aus ihren Augen geleuchtet. Er erinnerte sich, wie die Letherii die Tiste Edur und ihre Lande gesehen hatten – eine Perle, reif zum Ernten. »Ich weiß es nicht, Nisall.«
    Sie ließ zu, dass er sie von dem Podest herunterführte. »Es wirkt alles so … ruhig. Hat der Tag schon begonnen?«
    »Ja, die Sonne ist bereits aufgegangen.«
    »Er wird den Thron nicht verlassen.«
    »Ich weiß.«
    »Er … hat Angst.«
    »Hier Nisall, legt Euch hin. Nehmt diese Kissen. Es ist nicht gerade vollkommen, ich weiß –«
    »Nein, es ist in Ordnung. Ich danke Euch.«
    Sie schloss die Augen, kaum dass sie sich hingelegt hatte. Brys starrte einen Moment lang auf sie hinunter. Sie war schon eingeschlafen.
    Er drehte sich um und ging zum Haupteingang, schritt weiter in den Korridor mit der niedrigen Decke, wo er seine Position beziehen wollte. Ein paar Schritte weiter lag der Ceda, im Schlaf zusammengerollt, auf der mittleren Fliese.
    Und neben Kuru Qan stand Gerun Eberict. Mit dem Schwert in der Hand. Er starrte auf den Ceda hinunter.
    Brys schob sich näher heran. »Finadd.«
    Gerun blickte auf; sein Gesicht war ausdruckslos.
    »Der Königliche Freibrief spricht Euch nicht von allem frei, Gerun Eberict.«
    Der Angesprochene bleckte die Zähne. »Er hat den Verstand verloren, Brys. Es wäre ein Akt der Barmherzigkeit.«
    »Das zu beurteilen ist nicht an Euch.«
    Gerun legte den Kopf schief. »Ihr würdet Euch mir in dieser Sache entgegenstellen?«
    »Ja.«
    Nach einem kurzen Augenblick trat der Finadd einen Schritt zurück und schob sein Schwert wieder in die Scheide an seiner Hüfte. »Dann seid Ihr genau im richtigen Augenblick gekommen. Zehn Herzschläge später …«
    »Was macht Ihr hier?«, fragte Brys.
    »Meine Soldaten sind alle in Stellung. Was soll ich tun?«
    »Befehligt sie.«
    Ein pfeifendes Schnauben. »Mich erwarten heute andere Aufgaben.«
    Brys schwieg. Er fragte sich, ob er den Finadd jetzt töten sollte.
    Es schien, als erriete Gerun seine Gedanken, denn sein höhnisches Grinsen wurde breiter. »Denkt an Eure Verpflichtung, Brys Beddict.« Er machte eine Geste, und ein Dutzend Mitglieder seiner Hausgarde kamen ins Zimmer. »Schließlich erwartet man von Euch, dass Ihr bei der Verteidigung des Königs sterbt. Wie auch immer«, fügte er hinzu, während er sich langsam zurückzog, »Ihr habt gerade meinen Verdacht bestätigt, und dafür danke ich Euch.«
    Blut oder Ehre. »Ich weiß, was Ihr glaubt, Gerun Eberict. Und daher warne ich Euch jetzt; der Freibrief gibt Euch nicht die Erlaubnis, das zu tun.«
    »Ihr sprecht für den König, Brys Beddict? Nun, das ist ziemlich anmaßend von Euch, findet Ihr nicht auch?«
    »Der König erwartet von Euch, dass Ihr die Garnison während der Verteidigung der Stadt befehligt – und nicht, dass Ihr Euch Eurer Verpflichtung entledigt, um auf Euren privaten Kreuzzug zu ziehen.«
    »Die Verteidigung der Stadt? Seid kein Idiot, Brys. Wenn die Soldaten der Stadtgarde heroische letzte Verteidigungsstellungen aufbauen wollen – nur zu. Ich hingegen habe vor, diese verdammte Eroberung zu überleben. Die Tiste Edur jagen mir keine Angst ein.« Er drehte sich um und verließ – umgeben von seinen Wachen – das Zimmer.
    Blut oder Ehre. Ich habe in dieser Angelegenheit keine Wahl, Tehol. Es

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