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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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sie betreten.«
    Seren konnte die Beweggründe nicht erkennen, die hinter den Einladungen des Ersten Eunuchen steckten. Sie fühlte sich ziemlich aus dem Gleichgewicht gebracht.
    »Wie Ihr wollt«, sagte Hull schulterzuckend.
    Mit Nifadas an der Spitze verließen die vier Letherii das Gästehaus und machten sich zur Zitadelle auf. Seren hielt Hull kurz fest, so dass sie einen Schritt hinter dem Ersten Eunuchen und Prinz Quillas zurückfielen. »Ich weiß nicht recht, ob mir das gefällt«, sagte sie flüsternd.
    Hull machte ein komisches Geräusch, und es dauerte einen Augenblick, ehe Seren klar wurde, dass er gelacht hatte.
    »Was ist daran so lustig?«
    »Dein Hang zu Untertreibungen, Freisprecherin. Ich habe deine Fähigkeit, Ruhe zu bewahren, immer bewundert.«
    »Unentschlossen zu sein, wird im Allgemeinen als Schwäche angesehen, Hull.«
    »Wenn du Sicherheit suchst, Seren, solltest du dich mir anschließen.«
    Das Angebot kam leise, fast unhörbar. Sie seufzte. »Ich will keine Sicherheit«, erwiderte sie. »Genau gesehen ist Sicherheit das, was ich am meisten fürchte.«
    »Ich habe diese Art von Antwort erwartet.«
    Zwei K’risnan nahmen die Gruppe am Eingang der Zitadelle in Empfang und geleiteten sie in den Thronsaal.
    Imperator Rhulad saß wieder, seine neue Frau stand zu seiner Linken. Abgesehen von den beiden K’risnan war sonst niemand anwesend. Obwohl Mayens Gesicht starr und ausdruckslos war, machte irgendetwas an ihrer Miene Seren auf unaussprechliche Weise in der geheimen Sprache der Frauen klar, dass die Ehe vollzogen worden war und nun eine Bindung bestand, die sich in Rhulads dunklen Augen widerspiegelte, die triumphierend und voll höchstem Selbstvertrauen leuchteten. »Hull Beddict«, sagte er mit seiner rauen Stimme, »du bist Binadas’ Blutsbruder, doch du kommst in fragwürdiger Gesellschaft.«
    »Imperator«, sagte Hull, »das Vertrauen Eures Bruders in mich ist nicht fehlgeleitet.«
    »Ich verstehe. Und wie fühlt sich dein Prinz angesichts dieser Tatsache?«
    »Er ist nicht mehr mein Prinz. Seine Gefühle bedeuten mir nichts.«
    Rhulad lächelte. »Dann schlage ich vor, dass du zur Seite trittst. Ich werde jetzt zur offiziellen Delegation aus Lether sprechen, wie sie nun einmal hier ist.«
    Hull verbeugte sich und trat drei Schritte nach rechts.
    »Freisprecherin?«
    »Imperator, ich bin gekommen, um Euch mitzuteilen, dass ich in Kürze aufbrechen werde, als Eskorte für Buruk den Bleichen.«
    »Wir wissen diese höfliche Geste zu schätzen, Freisprecherin. Wenn das alles ist, was Euch zu uns geführt hat, solltet Ihr Euch am besten zu Hull gesellen.«
    Sie verbeugte sich ergeben und trat ebenfalls zur Seite. Und warum wollte Nifadas das jetzt?
    »Imperator Rhulad«, sagte Nifadas, »darf ich sprechen?«
    Der Edur betrachtete den Ersten Eunuchen unter halb geschlossenen Lidern heraus. »Wir erlauben es.«
    »Das Königreich Lether ist gewillt, Verhandlungen hinsichtlich der Schuld aufzunehmen, die als Ergebnis der ungesetzlichen Ernte der Stoßzähnigen Robben entstanden ist.«
    Quillas zischte wie eine Schlange, der man gerade auf den Schwanz getreten war, und spuckte aus.
    »Die Frage der Schuld«, antwortete Rhulad, ohne den Prinzen weiter zu beachten, »ist nicht mehr von Bedeutung. Wir machen uns nichts aus Eurem Gold, Erster Eunuch. Genauer gesagt, machen wir uns auch nichts aus Euch.«
    »Wenn Ihr wünscht, in Ruhe gelassen –«
    »Das haben wir nicht gesagt, Erster Eunuch.«
    Prinz Quillas lächelte plötzlich; er hatte sich augenscheinlich wieder unter Kontrolle. »Eine Eröffnung voll offener Feindseligkeit zwischen unseren Völkern, Imperator? Ich würde Euch vor einer solchen Taktik warnen, was nicht heißt, dass sie mir nicht willkommen wäre.«
    »Wie das, Prinz Quillas?«
    »Wir trachten nach den Reichtümern, die Ihr besitzt, um es einmal ganz unverblümt auszusprechen. Und jetzt gebt Ihr uns die Gelegenheit, uns ihrer zu bemächtigen. Wenn Ihr Eure Schuld gegenüber Lether anerkannt hättet, hätte man eine friedliche Lösung finden können. Stattdessen verbreitet Ihr diese absurde Lüge, dass wir es wären, die Euch etwas schulden würden!«
    Rhulad schwieg einen Moment, dann nickte er und sagte: »Die Wirtschaft der Letherii scheint auf absonderlichen Vorstellungen zu fußen, Prinz.«
    »Absonderlich? Ich glaube nicht. Unsere Unternehmungen werden von natürlichen, nicht zu leugnenden Gesetzen gelenkt. Zu Eurem Bedauern werdet Ihr schon bald entdecken, zu welchen

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