SdG 10 - Die Feuer der Rebellion
starrte sie an, als hätten sie alle den Verstand verloren.
Ein nachhallendes Knack ließ den Tempel erzittern, und Staub rieselte von oben herunter. Buddl blickte genau wie alle anderen nach oben und sah, dass Feuerzungen durch einen Spalt in der Kuppel zu ihnen herunterleckten. Und dass die Kuppel angefangen hatte, in sich zusammenzusacken. »Krake –«
»Ich kann’s sehen. Betet, dass dieser Kracher nicht das ganze Ding auf uns runterkommen lässt.«
Er setzte den Bolzen ab. »Buddl, in welche Richtung soll er zeigen?«
»Zur Altarseite. Da ist ein Raum, zwei, vielleicht drei Armlängen tiefer.«
»Drei? Bei den Göttern hienieden. Nun gut, wir werden sehen.«
Die Außenwände waren so heiß wie in einem Ofen; harte, knackende Geräusche hallten durch den Raum, als der gewaltige Tempel begann, sich zu senken. Sie konnten das Knirschen der Fundamente hören, die von dem sich verändernden Druck bewegt wurden. Die Hitze wurde noch größer.
»Von sechs an runterzählen!«, rief Krake, rannte von dem Loch weg.
Fünf … vier … drei …
Der Kracher explodierte, ließ einen tödlichen Hagel aus Steinsplittern und Fliesenscherben auf sie niedergehen. Soldaten schrien vor Schmerz auf, Kinder kreischten, Staub und Rauch erfüllten die Luft – und dann hörte man vom Fußboden her das Geräusch von Steinbrocken, die fielen, irgendwo tief unten auf etwas prallten, weiterhüpften, kullerten, nach unten, nach unten …
»Buddl.«
Auf Saitens Aufforderung hin kroch er vorwärts, auf das gähnende Loch zu. Er musste eine andere Ratte finden. Irgendwo da unten. Eine Ratte, auf der meine Seele reiten kann. Eine Ratte, die uns hinausführt.
Er sagte den anderen nichts von dem, was er noch gespürt hatte, was in den anscheinend unzähligen Schichten aus toten, begrabenen Städten zwischen den Lebensfunken herumhuschte – dass es nach unten ging, und nach unten, und nach unten – Die Luft, die aus dem Loch aufstieg, stank nach Zerfall, nach bedrückender Dunkelheit, nach engen, mühseligen Wegen. Nach unten. Alle diese Ratten fliehen nach unten. Keine in meiner Reichweite klettert ins Freie, in die Nachtluft. Keine.
Die Ratten werden fliehen. Selbst wenn es keinen Ort gibt, zu dem sie fliehen könnten.
Verwundete, verbrannte Soldaten wurden an Blistig vorbeigetragen. Menschen, die nur noch aus Schmerz und Schock bestanden, aus aufgesprungenem, grässlich rotem Fleisch, das wie gekocht aussah – was es, wie ihm auf betäubende Weise klar wurde, auch war. Die weiße Asche von Haaren – auf Gliedern, auf dem Kopf oder da, wo einst Augenbrauen gewesen waren. Geschwärzte Überreste von Kleidung, Hände, die mit den Griffen von Waffen verschmolzen waren – er wollte sich abwenden, wollte sich so gern abwenden, aber er konnte es nicht.
Er stand jetzt fünfzehnhundert Schritt von der Straße und ihrer Einfassung aus verbranntem Gras entfernt und konnte immer noch die Hitze spüren. Jenseits davon verschlang ein Feuergott den Himmel über Y’Ghatan – Y’Ghatan, das nach innen zusammensackte, das zu Schlacke schmolz –, der Tod der Stadt war in seinen Augen genauso entsetzlich wie die Reihe von Kenebs und Baraltas überlebenden Soldaten.
Wie konnte er nur so etwas tun? Leoman von den Dreschflegeln, du hast deinen Namen zu einem Fluch gemacht, der niemals sterben wird. Niemals.
Jemand trat an seine Seite, und erst nach einer ganzen Weile schaute Blistig nach, wer da zu ihm gekommen war. Und machte ein finsteres Gesicht. Perl, die Klaue. Die Augen des Mannes waren rot – Durhang, es konnte nichts anderes sein, denn er war in seinem Zelt am hinteren Ende des Lagers geblieben, als wäre ihm diese grausame Nacht vollkommen gleichgültig.
»Wo ist die Mandata?«, fragte Perl leise mit rauer Stimme.
»Sie kümmert sich um die Verwundeten.«
»Ist sie zusammengebrochen? Hockt sie auf Händen und Knien im blutgetränkten Dreck?«
Blistig musterte sein Gegenüber. Diese Augen – hatte er geweint? Nein. Durhang. »Sag das noch einmal, Klaue, und du wirst nicht mehr sehr lange am Leben bleiben.«
Der große Mann zuckte die Schultern. »Schaut Euch diese verbrannten Soldaten an, Faust. Es gibt schlimmere Dinge als zu sterben.«
»Die Heiler kümmern sich um sie. Hexer und Hexen aus meiner Kompanie –«
»Manche Wunden können nicht geheilt werden.«
»Was macht Ihr hier? Geht zurück zu Eurem Zelt.«
»Ich habe heute Nacht einen Freund verloren, Faust. Ich werde hingehen, wo immer ich hingehen
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