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SdG 10 - Die Feuer der Rebellion

SdG 10 - Die Feuer der Rebellion

Titel: SdG 10 - Die Feuer der Rebellion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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sämtlichen abgestumpften, von Narben verhärteten Winkeln seiner Seele, und daher schockierte ihn die Entdeckung dieser seit langer Zeit toten Jaghut-Kinder nicht sonderlich. Auch das Entsetzen hatte glücklicherweise nur einen kurzen Abstecher in seine Gedanken gemacht, so dass am Ende nur sein alter Freund, der Kummer übrig blieb.
    Der in seine Gedanken strömte, rein und kalt.
    Es gab Kriege, in denen Soldaten gegen Soldaten kämpften, und Zauberer sich mit Zauberern maßen. In denen Assassinen ihre Arbeit verrichteten und Messerklingen in der Nacht aufblitzten. Kriege, in denen die Gesetzestreuen gegen die vorsätzlich Gesetzlosen fochten; in denen der geistig Gesunde dem Geisteskranken gegenüberstand. Er hatte Kristalle in einer einzigen Nacht aus dem Wüstenboden wachsen sehen, bei denen sich Facette um Facette gebildet hatte, den Blütenblättern einer sich öffnenden Blume gleich, und ihm kam es vor, als wäre es mit der Brutalität genauso. Ein Ereignis, das zum anderen führte, bis alles in einer Feuersbrunst gipfelte, die jeden verschlang, der ihren Weg kreuzte.
    Mappo löste die Hand von der nun offen daliegenden Unterseite der Steinplatte und richtete sich langsam auf. Um hinüber, zu seinem Kameraden zu schauen, der immer noch im warmen, flachen Wasser der Rarakusee herumwatete. Wie ein Kind, das ein neues, unerwartetes Vergnügen entdeckt hatte. Er planschte herum, strich mit den Händen durch das Schilf, das plötzlich gewachsen war, als hätten die Erinnerungen des Meeres es neu entstehen lassen.
    Icarium.
    Mein Kristall.
    Wenn die Feuersbrunst Kinder verschlang, hörte der Unterschied zwischen dem geistig Gesunden und dem Geisteskranken auf zu bestehen. Er wusste nur zu gut, dass es sein Fehler war, danach zu streben, die Aufrichtigkeit aller beteiligten Seiten herauszufinden und die Myriaden von Rechtfertigungen für die brutalsten Verbrechen verstehen zu wollen. Imass waren von betrügerischen Jaghut-Tyrannen versklavt, zu falscher Verehrung verleitet worden, und dazu gebracht worden, unaussprechlichen Dinge zu tun. Bis sie die Betrüger entlarvt hatten. Und sich auf einen entfesselten Rachefeldzug begeben hatten, erst gegen die Tyrannen, dann gegen alle Jaghut. Und so war der Kristall gewachsen, Facette um Facette …
    Bis es schließlich zu dem hier gekommen ist … Er blickte ein weiteres Mal auf die Knochen des Kindes hinunter. Festgeklemmt unter Dolomitplatten. Nicht unter Kalkstein, denn Dolomit besaß eine Oberfläche, die sich gut dazu eignete, Schriftzeichen hineinzuritzen. Und auch wenn er weich war, absorbierte er doch Macht, wodurch er langsamer zerfiel als rauer Kalkstein, und daher waren die Schriftzeichen nach all den abertausend Jahren zwar verblasst und verwaschen, aber immer noch erkennbar.
    Die Macht der Schutzzauber wirkte weiter, noch lange, nachdem die Kreatur, die sie gefangen gehalten hatten, gestorben war.
    Es hieß, dass Dolomit Erinnerungen bewahrte. Zumindest war dieser Glaube in Mappos Volk verbreitet, das bei seinen Wanderungen auf solche Bauten der Imass gestoßen war – rasch errichtete Gräber, heilige Kreise, Sichtsteine auf Hügelkuppen; sie waren auf diese Dinge gestoßen – und waren ihnen dann geflissentlich aus dem Weg gegangen. Denn die Beklemmung an jenen Orten war regelrecht greifbar.
    Das oder etwas Ähnliches haben wir uns zumindest eingeredet.
    Er saß hier, am Ufer der Rarakusee, am Schauplatz eines Verbrechens, das vor langer, langer Zeit stattgefunden hatte – und außer dem, was seine eigenen Gedanken heraufbeschworen, war da nichts. Der Stein, auf den er seine Hände gelegt hatte, schien nur über die kürzesten aller Erinnerungen zu verfügen. Die Kälte der Dunkelheit, die Hitze der Sonne. Das – und nichts weiter.
    Die kürzesten aller Erinnerungen.
    Planschend kam Icarium ans Ufer. Seine Augen strahlten vor Begeisterung. »Was für ein Segen, was, Mappo? Ich fühle mich von diesem Wasser belebt. Oh, warum willst du nicht schwimmen und so vom Geschenk der Raraku gesegnet werden?«
    Mappo lächelte. »Besagter Segen würde ziemlich schnell wieder von meiner alten Haut abgewaschen werden, mein Freund. Ich fürchte, das Geschenk wäre vergeudet, und möchte daher nicht riskieren, die aufgewachten Geister zu enttäuschen.«
    »Ich fühle mich«, sagte Icarium, »als würde meine Queste von neuem beginnen. Ich werde endlich die Wahrheit herausfinden. Wer ich bin. Was ich getan habe. Und darüber hinaus«, fuhr er fort, während er näher trat,

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