SdG 10 - Die Feuer der Rebellion
Brückenbogen – und trieb mit rudernden Armen davon.
Mappo streckte einen Arm aus und erwischte gerade noch Icariums zappelnden Fuß. Er zog den Jhag zurück auf die Schwelle. »Nun«, brummte er, »das war interessant. Du hast nichts gewogen, als ich dich festgehalten habe. Leicht wie ein Staubkörnchen.«
Langsam stellte der Jhag sich versuchsweise wieder aufrecht hin. »Das war höchst beunruhigend. Es scheint, als müssten wir doch fliegen.«
»Und warum haben sie dann Brücken gebaut?«
»Ich habe keine Ahnung. Es sei denn«, fügte er hinzu, »dass der Mechanismus, der diese Schwerelosigkeit erzeugt hat, allmählich zusammenbricht und dabei seine Genauigkeit verliert.«
»Du meinst, dass die Brücken davon ausgenommen sein sollten? Möglich. Wie auch immer, siehst du die Geländer, die nicht nach oben, sondern seitlich herausragen? Bescheiden, aber ausreichend, um sich festzuhalten, wenn man kriecht.«
»Ja. Sollen wir?«
Das Gefühl war nicht angenehm. Zu dieser Einschätzung war Mappo gekommen, als er die Mitte erreichte. Icarium war ein paar Schritt vor ihm. Übelkeit, Schwindel, ein merkwürdiger Drang loszulassen, verursacht durch den Schwung, den einem die eigenen Muskeln gaben. Jedes Gefühl von oben und unten war verschwunden, und manchmal war Mappo überzeugt davon, dass sie eine Leiter hochstiegen, statt mehr oder weniger waagrecht über die Brücke zu kriechen.
Ein Stück voraus klaffte dort, wo die Brücke auf die Festung stieß, ein schmaler, aber hoher Eingang. Bruchstücke der Tür, die ihn einst verschlossen hatte, schwebten reglos davor. Was auch immer die Tür zerschmettert hatte, war von innen gekommen.
Icarium erreichte die Schwelle und stand auf. Wenige Augenblicke später gesellte Mappo sich zu ihm. Sie spähten in die Dunkelheit.
»Ich rieche … gewaltigen … Tod.«
Mappo nickte. Er nahm seinen Streitkolben in die Hand, blickte auf die mit Dornen besetzte eiserne Kugel hinunter und schob den Schaft wieder in die lederne Schlaufe an seinem Gürtel.
Dann folgte er Icarium in die Festung.
Der Korridor war so schmal wie der Eingang, die Wände bestanden aus unebenem schwarzen Basalt und waren von Feuchtigkeit überzogen, der Fußboden war tückisch mit seinen willkürlichen Buckeln und Vorsprüngen und Vertiefungen, die schlüpfrig und voller Eis waren, das unter ihren Füßen knirschend zerbrach und nachgab. Der Gang verlief vierzig Schritt mehr oder weniger gerade. Als sie sein Ende erreichten, hatten ihre Augen sich an das herrschende Zwielicht gewöhnt.
Ein weiterer gewaltiger Raum, als ob das Herz der Festung ausgehöhlt worden wäre. Ein massiges Kreuz aus zusammengebundenem schwarzen Holz füllte die Höhle aus, und darauf war ein Drache aufgespießt. Der schon lange tot sein musste und einst zu Eis gefroren war, aber jetzt verweste. Ein eiserner Nagel – so dick wie Mappos Oberkörper – war knapp über dem Brustbein in die Kehle des Drachen getrieben worden. Aquamarinblaues Blut war aus der Wunde gequollen und tropfte noch immer in langsamen, gleichmäßigen, faustgroßen Tropfen schwer und träge auf den steinernen Fußboden.
»Ich kenne diesen Drachen«, flüsterte Icarium.
Wie kann das sein? Nein, frag ihn nicht.
»Ich kenne diesen Drachen«, sagte Icarium noch einmal. »Sorrit. Ihr Aspekt war … Serc. Das Gewirr des Himmels.« Er schlug die Hände vors Gesicht. »Tot. Sorrit ist getötet worden.«
»Ein höchst köstlicher Thron. Nein, nicht köstlich. Höchst bitter, faulig, übel schmeckend, was habe ich nur gedacht?«
»Du denkst nicht, Rinnsel. Du denkst nie. Ich kann mich an keinen Thron erinnern. Was für ein Thron? Das muss ein Missverständnis sein. Nicht-Apsalar hat irgendetwas falsch verstanden, so viel ist offensichtlich. Vollkommen falsch, ein absoluter Irrtum. Außerdem sitzt jemand darauf.«
»Köstlich.«
»Ich habe dir doch gesagt, da war kein Thron –«
Die Unterhaltung dauerte nun schon die halbe Nacht, während sie die seltsamen Schattenpfade bereisten, die sich durch eine geisterhafte Landschaft wanden und immer wieder zwischen zwei Welten hin und her wechselten, die beide gleichermaßen verwüstet und unwirtlich waren. Apsalar wunderte sich über die Ausdehnung dieses Bruchstücks der Schattensphäre. Falls sie Cotillions Erinnerungen richtig zusammenbekam, wanderte die Sphäre ohne Verbindung zu der Welt, die Apsalar ihre eigene nannte, und weder das Seil noch Schattenthron konnten ihre anscheinend vom Zufall bestimmten
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