SEAL Team 12: Bittere Vergangenheit (German Edition)
daliegende vierspurige Straße rasten, eine Schule und einen Kinderspielplatz passierten, suchte Lia nach Worten, mit denen sie ihn bei Laune halten könnte. Doch ihr fiel nichts Geistreiches oder Verlockendes ein.
Vinny bog rechts ab, und dann näherten sie sich seinem Haus mit Meerblick. Er parkte zügig hinter ihrem Auto ein und stellte den Motor ab. »Sagen Sie mir Bescheid, sobald Sie bereit sind, Ihr Leben mit mir zu teilen«, versetzte er. Damit stieg er aus, kam wie ein vollendeter Gentleman um den Wagen herum und hielt ihr die Beifahrertür auf.
Mit bleiernen Beinen stieg sie aus.
Doch er stellte sich ihr in den Weg, sodass sie sich an ihm vorbeischieben musste. Seine Nähe schien ihre Nerven unter Strom zu setzen. Es knisterte zwischen ihnen und die Erinnerung an ihren letzten Kuss nahm ihr den Atem.
Können wir nicht einfach Sex haben und unserer Wege gehen ?
Sie traute sich nicht, die Frage auszusprechen. Damit hätte sie nicht nur ihre Zuneigung zueinander heruntergespielt, nein, sie wäre sich auch wie eine Schlampe vorgekommen. So langsam dämmerte ihr, dass Vinny nichts von One-Night-Stands hielt. Aus irgendeinem Grund war er kein typischer Zwanzigjähriger, der sich nichts entgehen ließ.
Aber wie naiv mochte er andererseits sein, wenn er von ihr erwartete, dass sie ihr Leben mit ihm teilte? Junge Liebe währte selten lange, und sie hatte nicht vor, ihre besten Jahre in einer von Beginn an zum Scheitern verurteilten Beziehung zu verbringen.
Also war es an ihr, Reife zu zeigen und sich abzuwenden.
»Auf Wiedersehen, Vinny.« Sie drückte ihm einen Kuss auf die Wange, bei dem sie seine angespannten Kiefermuskeln spürte. Mit den Händen in den Hosentaschen sah er zu, wie sie in ihr Auto stieg und losfuhr.
Sie gab sich Mühe, nicht zurückzuschauen, doch ein rascher Blick in den Rückspiegel verriet ihr, dass er noch am selben Fleck stand und ein Gesicht machte, als hätte er den Boden unter den Füßen verloren.
»Mist«, fluchte Lia und schlug mit der Handfläche auf das Lenkrad. Ihr Körper schmerzte vor unerfülltem Verlangen und ihr Herz raste im Nachklang des unerwarteten Glücksmoments am Morgen. Obendrein plagte sie ein schlechtes Gewissen, weil sie Vinny, der sich nur Sorgen um sie machte, so mies abgefertigt hatte. Doch mit alldem konnte Lia sich jetzt nicht befassen.
Schwerwiegendere Sorgen plagten sie, zum Beispiel ob sie und Penny womöglich die nächsten Namen auf der Liste eines Mörders waren.
12
Joe war nicht so betrunken, dass er nicht mehr nach Hause gefunden hätte. Allerdings erschien ihm der Bürgersteig im spärlichen Licht des wolkenverhangenen Monds so tückisch wie jener Gebirgspass, auf dem sein Aufklärungsteam mit den Aufständischen zusammengestoßen war. Ständig stolperte er über Risse im Beton. Autos rasten vorbei, Scheinwerfer blendeten ihn, Rücklichter leuchteten auf.
Die Luft war klar und kalt. Sie zwickte in seine Ohren und drang durch Jeans und Sweatshirt. Er war doch noch in Virginia Beach und wanderte nicht im Wahn über den Hindukusch, oder?
Der Geruch des Meers und die Abgase beseitigten seine Zweifel.
Scheiße, nach dem Fitnessstudio hätte er die Sportsbar besser gemieden! Doch nach dem Anruf aus Millington, Tennessee, bei dem er von seinem neuen Marschbefehl erfahren hatte, war er derart aufgewühlt gewesen, dass er es mit dem Training übertrieben hatte. Und statt nach dem Duschen nach Hause zu gehen, hatte er die nächstbeste Kneipe angesteuert.
Beim dritten Whiskey war ihm aufgegangen, dass er trotz der samstagabendlich vollen Kneipe allein trank und in Selbstzweifeln aufging. Was, wenn meinetwegen noch mehr Männer draufgehen? , hatte er sich gefragt.
Auf der Suche nach Trost, nach einer Fremden, die leicht zu haben war und ihm half, nicht an die vor ihm liegende Bürde zu denken, hatte er sich umgesehen. Blickkontakt, ein bereitwilliges Lächeln, und schon würde er bekommen, was ihm immer zuflog – die Gesellschaft einer schönen Frau. Irgendwie brachte ihm die entstellende Narbe sogar mehr Aufmerksamkeit denn je vom anderen Geschlecht ein.
Es brauchte sehr wenig, um eine Frau anzumachen und abzuschleppen. Für gewöhnlich genügten drei Worte: Navy, SEAL , Offizier. Doch beim Aufwachen am nächsten Morgen würde sich nichts geändert haben. Das Gefühl, ein Damoklesschwert hinge über ihm, wäre immer noch da. Der einzige Mensch auf der Welt, dem es gelang, ihn aufzubauen und seine Selbstzweifel zu zerstreuen, war Penny.
Bei der
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