SEAL Team 12: Gefährliche Suche (German Edition)
mein entschwundenes irdisches Glück
?
Er bat auf diese Weise um Verzeihung. Nur war es ihr lieber, jemandem die Schuld geben und sich über ihn aufregen zu können, oder?
Seine Entschuldigung hatte jedoch etwas Bittersüßes und berührte sie unterschwellig auf eine so intime Weise, dass sie sich bloßgestellt fühlte, als hätte er eine Seite an ihr erkannt, die sie nie wieder einem Mann zeigen wollte.
Unschlüssig, was sie mit dem Gedicht anfangen sollte, schob sie es in den Umschlag zurück und legte diesen zu den Rechnungen, um sich später darum zu kümmern.
Als sie ihre Einkäufe verstaut hatte, rief sie wie jeden Tag um diese Zeit Jillian an, der sie zusagte, kommenden Freitag zum Essen vorbeizukommen. Anschließend machte sie sich Abendbrot und aß im Stehen, wobei sie nachdenklich den Blick zu dem Umschlag wandern ließ.
Auf dem Weg ins Bett nahm sie den Brief mit nach oben und ließ ihn auf dem Nachttisch liegen, während sie duschte und in ihre Schlafsachen schlüpfte. Nachdem sie das Licht ausgemacht hatte und unter die Decke gekrochen war, betrachtete sie den Umschlag, der im Dunkeln gespenstisch leuchtete.
Der Umstand, dass ein Fremder wie Solomon McGuire ihren Schmerz verstand, wirkte umso niederschmetternder auf sie. Schließlich kehrte sie seinem Brief den Rücken und beweinte ihren Verlust. Die Erinnerungen an Miguels Lächeln, seinen Duft, die Art, wie er seine dünnen Ärmchen um ihren Hals schlang, verfolgten sie bis in ihre Träume.
Eines von Solomons bestgehüteten Geheimnissen war, dass er es liebte, sich an seinem Schreibtisch im Büro der Special Operations zu beschäftigen. Eigentlich sollten Senior Chiefs es nicht mögen, im Büro herumzusitzen. Der Papierkram wurde für gewöhnlich von den unteren Dienstgraden erledigt und von Offizieren abgezeichnet.
Doch Solomon tat alles, was mit Lesen und Schreiben zu tun hatte, gern. Er wusste mit Sicherheit, dass er belesener war als sein Vorgesetzter. Lieutenant Commander Montgomery besaß zwar einen Master in Finanzwirtschaft, verfügte aber nicht über so eine umfangreiche Bibliothek wie die auf Solomons Hausboot. Harley, der für ihn die Einbauregale gebaut hatte, mochte ahnen, wie viele Bücher darin standen, doch nicht einmal er wusste, dass der Senior Chief sie auch alle gelesen hatte.
Nach seinem befristeten Einsatz in Venezuela freute sich Solomon darüber, an seinen unter Bergen von Papier verschwindenden Schreibtisch zurückkehren zu können. Also machte er die Tür hinter sich zu, ließ sich behaglich in seinem Bürostuhl aus Leder nieder und begann damit, alles durchzusehen. Nach einer Stunde stieß er auf einen handschriftlich adressierten Umschlag, der von seinem letzten Befehlsstand an das Spec-Ops-Hauptquartier weitergeleitet worden war.
Der Absender aus Mantachie in Mississippi sagte ihm nichts, ebenso wenig die säuberliche Schreibschrift. Als er den Umschlag mit seinem versilberten Brieföffner aufmachte, fand er darin zwei Seiten – eine handschriftliche Nachricht und die Kopie einer Sterbeurkunde. Candys Sterbeurkunde.
Starr vor Schreck und Fassungslosigkeit überflog er den Brief in der Hoffnung, etwas Neues über Silas zu erfahren.
Sie kennen mich nicht, Sir, aber Candy, die einmal meine Stiefschwester war, hat mir von Ihnen erzählt. Ihr Vater und meine Mutter sind Anfang der Neunziger miteinander verheiratet gewesen. Candy ist vor zwei Jahren auf dem Weg nach Vegas durch Mantachie gekommen. Sie hat Silas hier gelassen und versprochen, ihn später wieder abzuholen, doch sie kam nie wieder her. Letzten Monat habe ich erfahren, dass sie Anfang des Jahres bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Sie hat immer schon so gelebt – war immer auf der Überholspur und hatte nur Flausen im Kopf. Ich habe Silas zu mir genommen – Gott weiß, dass ich ihn wie mein eigen Fleisch und Blut liebe. Aber die Wahrheit ist, dass ich es mir nicht länger leisten kann, ihn bei mir zu behalten, und ich habe auch nicht das Recht dazu. Er ist Ihr Junge, nicht meiner. Bitte holen Sie ihn, wenn möglich, innerhalb von einer Woche ab, denn ich muss von hier wegziehen
.
Mit freundlichen Grüßen
Ellie Jean Stuart
»Verdammt«, schnaubte Solomon und sah sich die zweite Seite an. Die Sterbeurkunde. Candace war zweifellos tot. Er wartete, wie er auf diese Nachricht reagierte, doch er fühlte nichts. Seine Liebe zu ihr war schon vor langer Zeit gestorben.
Silas!
Er vertiefte sich wieder in den Brief, las ihn dieses Mal
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