SEAL Team 12: Geheime Lügen (German Edition)
wie angewurzelt stehen und bemerkte dann, dass er ein Reh entdeckt hatte. Das Tier stand mit weit aufgerissenen Augen, zuckenden Ohren und mit einem wie eine Flagge gehissten Schwanz halb verborgen im Schatten. Es röhrte warnend und brach durchs Unterholz, auf der Suche nach seinem Rudel.
Chase lächelte in sich hinein. Sara ging auf, dass er das Leben und die Schönheit wertschätzte, was ein skrupelloser Mörder wohl kaum täte.
Unbewusst – oder wenigstens tat er so, als würde er es nicht bemerken – , begann ihr Sohn, den Gang des Mannes zu imitieren.
Etwa hundert Meter weiter blieb Chase erneut stehen, sodass Kendal unversehens gegen ihn prallte. »Hörst du das ?« , fragte er. Der Junge legte konzentriert dreinblickend den Kopf schief.
Sara hörte in der Ferne Wasser plätschern. Sie erkannte mit einem Anflug von Hochachtung, dass Chase nichts im Wald entging, sei es ein Zweig, der knackte, ein Eichhörnchen, das über den Weg huschte, oder ihr rosafarbenes T-Shirt, das unterhalb ihrer Brüste feucht vom Schweiß war.
Sein warmer Blick ließ sie erschauern. Scharfschütze oder nicht, ihre Sinne hatte er fest im Griff.
»Ich hör’s « , hauchte Kendal aufgeregt.
»Hier entlang « , sagte Chase und wies ihnen nickend die Richtung.
Plötzlich standen sie vor dem Flüsschen. Das Wasser sprang über Sandstein und sammelte sich in einem Becken mit tiefroter Erde. Es war kristallklar, sodass die Kiesel auf dem Grund das Sonnenlicht reflektierten. Am anderen Ende des natürlichen Bassins floss der Bach gemächlich um eine Biegung durch einen Holunderbeerenhain und war dann nicht mehr zu sehen.
»Oh, wow !« , staunte Kendal und zog seine Turnschuhe aus. Vergnügt watete er ins Wasser, während Sara und Chase ihm vom Ufer aus zuschauten.
Sara nahm die Freude ihres Sohnes mit einem Anflug von Wehmut wahr.
»Orte wie diesen gibt’s in Dallas kaum « , bemerkte Chase.
»Stimmt « , pflichtete sie ihm bei. Sofort kamen ihr Bedenken. Noch am Tag zuvor, als sie sich Chase’ Handy geliehen und zum ersten Mal mit ihrer leiblichen Mutter gesprochen hatte, war das nicht der Fall gewesen. Da sie seit sechs Monaten in E-Mail-Kontakt standen, war dieses Telefonat mehr als angenehm verlaufen. Sara hatte in der Überzeugung aufgelegt, dass es richtig war, nach Dallas weiterzufahren.
Warum also plagten sie heute Zweifel?
»Schau, Mom, ein Flusskrebs !« , rief Kendal, der das Tier bereits gefangen hatte.
»Hier draußen nennt man sie Crawdads « , erklärte Chase ihm. »Kommen Sie « , meinte er dann und ließ die mitgebrachte Säge fallen, um sich die Schuhe auszuziehen. »Kleine Abkühlung gefällig ?«
Zuerst zog er jedoch ein fies aussehendes Messer aus seinem Stiefel. Sara hatte nicht mal geahnt, dass er es bei sich trug. Zusammen mit der unter seinem linken Arm hervorlugenden Schusswaffe sah er von Kopf bis Fuß wie der brandgefährliche Mann aus, der er tatsächlich war.
Sie schlüpfte aus ihren Sandalen und trat ans Ufer, um zaghaft einen Zeh ins Wasser zu tunken. Gott, war das kalt!
»Kommen Sie « , rief Chase und stieg mutig in den Bach.
Als sie zögerte, streckte er ihr eine Hand hin.
Sara blickte von seinem Arm zu seinen wachsamen Augen. Nun würde sich zeigen, wer den stärkeren Willen besaß und wer zuerst wegschauen würde.
»Vertrauen Sie mir, Sara « , sagte Chase.
Das hatte er schon einmal gesagt, und zwar als sie sich bereit erklärt hatte, sich die Haare von ihm schneiden zu lassen – was am Ende doch gut ausgegangen war, oder etwa nicht?
Abgesehen davon würde sie bald aufbrechen. Was war also schon dabei, wenn sie Chase’ Hand nahm, solange sie dabei schön die Augen offen hielt?
Vorsichtig streckte sie ihre Hand aus. Er ergriff sie und schloss fest seine Finger um ihre. Sofort kroch eine Gänsehaut ihren Arm hinauf, ihr Herz schlug schneller und wohlige Schauer überliefen sie.
Als sie in den Bach stieg, lag es nicht nur an der Wassertemperatur, dass sich ihre Brustwarzen aufrichteten.
»Zeig mir mal, was du da hast, Junge « , verlangte Chase von Kendal, während er Sara hinter sich herzog.
Das Wasser reichte ihr bis zu den Knien und war eisig, Chase’ Hand hingegen fühlte sich wunderbar warm an, aber auch ein wenig rau von der harten Arbeit, die er hier leistete.
»Ich will ihn behalten « , sagte Kendal und betrachtete begeistert das Krustentier.
»Oh nein, Schatz « , entgegnete Sara mit kehliger Stimme. »Wenn du ihn von hier wegbringst, wird er sterben .«
»Ich
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