SEAL Team 12: Geheime Lügen (German Edition)
einrasten ließ.
»Dass ich demnächst den Ölstand prüfen soll « , antwortete Kendal.
»Das wird schon « , versicherte sie ihm. »Großmutter Rachel hat mir den Weg beschrieben. Wir fahren fast nur geradeaus und sind in ungefähr vier Stunden in Dallas .«
Sie gab sich alle Mühe, zuversichtlich zu klingen. Doch als sie zum Abschied winken wollte und Chase’ Blick begegnete, drohten ihre Gefühle sie zu überwältigen.
Mit Tränen in den Augen legte sie den ersten Gang ein. Chase hatte am Morgen darauf bestanden, ihr Fahrunterricht zu geben. Um den Schlaglöchern in der Auffahrt auszuweichen, verließ sie sich auf ihre Erinnerung daran, wie sie sich fortbewegt hatte.
Sie unterdrückte die Tränen und sah zu Kendal, der die Arme um den Oberkörper geschlungen hatte. »Mir wird schlecht, Mom « , klagte er.
»Aber wir sind doch gerade erst losgefahren, Schatz « , entgegnete sie frustriert. »Wir haben noch nicht mal die Mautschranke passiert .«
»Ich hab aber Bauchweh .«
»Ja, ich auch « , gab sie wahrheitsgemäß zurück. War es nicht ein Witz, dachte sie mit einem traurigen Kopfschütteln, dass es ihr leichter gefallen war, Garret nach zehn Jahren zu verlassen als Chase nach nur einer Woche?
Chase machte die Haustür zu, konnte sie aber nicht abschließen – nicht ohne den passenden Schlüssel, doch der war genauso unauffindbar wie der Schlüssel zum Waffenschrank. Somit konnte er das Haus in seiner Abwesenheit nur sichern, indem er Jesse als Wachhund zurückließ. Auf dem Rückweg vom Gericht würde er vor der Eisenwarenhandlung halten und neue Schlösser für die Vorder- und Hintertür besorgen.
Falls sie sich mit Jesse anlegen wollten, konnten die Skinheads bis dahin nach Belieben ein- und ausgehen.
Die Waffen würden sie allerdings nicht finden. Chase hatte sie gestern in Plastik eingewickelt und in dem finsteren Kriechkeller unter dem Haus verstaut.
In dem dringenden Bedürfnis, endlich von hier wegzukommen, schlich er zu seinem Wagen. Seit Sara aufgebrochen war, schienen ihn aus jedem Schrank Erinnerungen an seine Vergangenheit anzuspringen und Stimmen durch sämtliche Zimmer zu hallen. Seine Haut kribbelte ungewöhnlicherweise vor Erregung.
Dann dachte er an Sara und Kendal auf ihrer Tour nach Dallas. Was, wenn der alte Pick-up liegen blieb? Schlimmer noch, wie sollten sie in der kalten, grausamen Welt da draußen klarkommen, wo ihnen doch die Behörden auf den Fersen waren?
Vor Sorge überliefen ihn kalte Schauer.
Und es dürfte noch Stunden dauern, bis sie anrufen würden, um ihm zu sagen, dass sie in Sicherheit waren.
»Ich habe mein Stück Holz vergessen !« , rief Kendal, womit er Sara aus ihren verdrießlichen Gedanken aufschreckte. Sie fuhren gerade die Auffahrt zum Highway 51 hinauf.
»Welches Stück Holz, Schatz ?«
»Mein Zedernholz. Ich habe es auf der Veranda liegen lassen .« Bei diesen Worten presste er eine Faust auf den Bauch.
»Vielleicht hat Chase es ja hinten reingelegt .«
Kendal verrenkte sich auf seinem Platz, um durch das Rückfenster auf die Ladefläche zu spähen. »Da ist es nicht « , erklärte er. »Wir müssen zurückfahren !«
»Schatz, wir sind bereits auf dem Highway .«
»Ich kann es aber nicht dort lassen! Chase hat es mir gegeben. Er hat gesagt, ich soll es festhalten und mit geschlossenen Augen abtasten !«
Kendals Aufregung brachte Sara total aus der Ruhe. Die nächste Ausfahrt kam näher. Es würde sie nicht umbringen, wenn sie den Truck wendete, damit ihr Sohn sein Stück Holz bekam. »Beruhige dich, Schatz, ich biege einfach hier ab und wir fahren zurück .«
Seltsam, dass sich ihre Nervosität auf der Stelle legte, als sie in Richtung Ranch umkehrte. Du fährst nur zurück, um das Stück Holz für Kendal zu holen , ermahnte sie sich. Dadurch ändert sich gar nichts .
Doch sie konnte nichts dagegen tun, dass ihre Lebensgeister erwachten, sobald sie in die Auffahrt bog. Dann rumpelten sie aus dem Wald auf die Lichtung, und Saras Vorfreude zerplatzte wie eine Seifenblase.
Chase war bereits weg, sein Wagen verschwunden.
»Spring raus und hol dein Holz, Schatz « , sagte sie und versuchte, ihre Enttäuschung zu ignorieren. Kendals Stück Zedernholz lag auf dem Sims der Veranda.
Er kletterte aus dem Wagen und ließ seine Tür offen. Sara lauschte seinen Schritten auf dem Kiesweg. Dann sagten ihr all ihre Sinne plötzlich, dass es im Haus viel zu still war. Wo blieb Jesses Gebell?
»Kendal !« , rief sie besorgt, aber er hörte sie nicht.
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