Sean King 01 - Im Bruchteil der Sekunde: Roman
fünfundzwanzig Jahre altem Macallan gehalten.« Sie lachte leise in sich hinein. »Er hat jeden Abend einen gekriegt. Ich hab den Whisky einfach mit einer großen Spritze in seinen Ernährungsschlauch gespritzt. Das Essen war ihm nicht so wichtig, aber auf seinen abendlichen Scotch hat er sich gefreut, und so ist er immerhin achtzig geworden. Das ist doch gar nicht schlecht.«
»Ich wette, Sie haben immer einen hübschen Vorrat im Haus.«
Sie lächelte. »In unserem Alter – was bleibt einem da noch?«
King blickte auf sein Glas hinab. »Und Sie? Trinken Sie auch Scotch?«
»Nie. Ich rühr das Zeug nicht an. Wie ich schon sagte – ich stehe auf Gin. Scotch schmeckt mir zu sehr nach Farbverdünner. Trinkt man am besten, wenn man sich die Nebenhöhlen ausputzen will.«
»Auf jeden Fall vielen Dank, Millie. Wir bleiben in Verbindung. Einen schönen Abend noch.« King stand auf und drehte sich um. Er suchte Joan und sah sie mit ihrem Drink und einer Zigarette in der Hand im Garten stehen – und hielt mitten in der Bewegung inne.
Farbverdünner?
Er wirbelte wieder herum. »Millie, würden Sie mir bitte Bills privaten Scotch-Vorrat zeigen?«
KAPITEL 41
Es war der Scotch – oder zumindest Bill Martins geheimer Vorrat –, den gegenüber dem FBI zu erwähnen Mildred Martin nie für nötig gehalten hatte. Ein relativ einfacher Test im Polizeilabor erwies, dass der Flascheninhalt mit Methanol versetzt worden war.
King und Joan saßen auf dem Revier herum, während Mrs Martin noch einmal gründlich befragt wurde.
Joan sah King an. »Du kannst von Glück reden, dass sie dir deinen Drink aus ihrem eigenen Vorrat eingeschenkt hat.«
Er schüttelte den Kopf. »Wie ist die vergiftete Flasche ins Haus gelangt?«
Ein Mann in einem braunen Anzug kam auf sie zu. »Ich glaube, das haben wir klären können.«
Er gehörte zu den FBI-Agenten, die den Fall bearbeiteten. Joan kannte ihn gut.
»Hallo, Don«, sagte sie. »Das ist Sean King. Don Reynolds.«
Die beiden Männer schüttelten einander die Hände. »Wir sind euch beiden sehr dankbar für diesen Coup«, sagte Reynolds. »Ich wäre nie auf den Scotch gekommen. Allerdings hat sie uns auch nichts von dem Geheimversteck ihres Ehemanns erzählt. Das andere Zeug hatten wir schon vorher untersucht.«
»Die Ehre gebührt eigentlich allein Sean, obwohl ich das nur ungern zugebe«, erklärte Joan lächelnd. »Und ihr wisst jetzt auch schon, wie der manipulierte Scotch ins Haus gekommen ist?«
»Vor ein paar Monaten hatten die Martins eine Haushaltshilfe. Sie sollte vor allem Bill helfen, der schon sehr hinfällig war.«
»Das hatte Mildred Martin vorher auch noch nicht erwähnt?«, fragte King ungläubig.
»Sie sagt, sie hätte es nicht für wichtig gehalten. Die Frau, meint sie, hätte Bill nie seine Medikamente oder sonst irgendwas verabreicht, obwohl sie dazu berechtigt gewesen sei. Mildred wollte das lieber selber tun. Und da die Frau schon lange vor Martins Tod wieder gegangen war, hielt Mildred diese Episode für unerheblich.«
»Wo kam die Frau denn her?«
»Das ist es ja. Sie ist einfach eines Tages aufgetaucht, behauptete, sie wisse, dass die beiden wegen Bills Zustand Hilfe gebrauchen könnten und dass sie eine ausgebildete Pflegekraft sei und nicht zu viel verlangen würde, weil sie die Arbeit brauche. Sie konnte sich ausweisen und hatte Zeugnisse, mit denen sie ihre Behauptungen belegen konnte.«
»Und wo ist diese entgegenkommende Dame jetzt?«
»Sie erzählte, sie hätte einen festen Job in einer anderen Stadt gekriegt, und damit hatte sich ’s. Hat sich nie wieder blicken lassen.«
»War aber offensichtlich doch noch mal im Haus«, bemerkte Joan.
Reynolds nickte. »Nach unserer Vermutung muss sie einen Tag vor Martins Tod ins Haus gekommen sein und die Flasche so manipuliert haben, dass sein nächster Drink auch garantiert sein letzter war. Die Scotchflasche, die ihr gefunden habt, enthielt große Mengen von Methanol. Nun braucht Methanol allerdings im Stoffwechsel ziemlich lange, bis die Giftwirkung einsetzt. Man rechnet gemeinhin mit zwölf bis vierundzwanzig Stunden. Wäre Martin jung und gesund gewesen und hätte man ihn sofort gefunden, dann hätte er es womöglich noch in ein Krankenhaus geschafft und wäre mit dem Leben davongekommen. Aber er war weder jung noch gesund, sondern ohnehin schon todkrank. Hinzu kam, dass die Martins kein gemeinsames Schlafzimmer hatten. Nachdem Mildred ihrem Mann durch die Sonde seinen letzten Drink
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