Sean King 01 - Im Bruchteil der Sekunde: Roman
Ersten, die den Fall von allen Seiten unter die Lupe nehmen.«
»Höchste Zeit, würde ich sagen. Ich melde mich, sobald ich Neues weiß. Sind Sie jetzt unterwegs zu King?«
»Ja. Oder zu dem Hotel in der Nähe, wo ich ein Zimmer genommen habe. Es heißt Cedars.«
»Dann bis später«, sagte Parks.
Joan fuhr weiter und machte sich allerlei Gedanken.
Sie machte sich so viele Gedanken, dass sie weder den Wagen bemerkte, der ihr folgte, noch den Fahrer, der sie nicht mehr aus den Augen ließ.
KAPITEL 49
Am späten Nachmittag verließ Kate Ramsey im Trainingsanzug ihr Büro, stieg in einen VW-Käfer und fuhr davon. Michelle und King folgten ihr in diskretem Abstand zum Bryan Park am Rande von Richmond. Dort stieg Kate aus und streifte den Trainingsanzug ab. Darunter trug sie Shorts und ein langärmeliges T-Shirt. Nach ein paar raschen Stretchübungen lief sie los.
»Na, toll«, sagte King. »Jetzt kann sie sich mit sonst wem treffen, und wir bekommen nichts davon mit.«
»Doch.« Michelle kletterte auf den Rücksitz ihres Geländewagens.
King wandte sich um. »Was machst du denn da?«
Sie packte ihn an der Schulter und drehte ihn wieder zurück. »Behalt deine Augen da vorne, Mister.«
Sie zog sich aus. »Ich hab immer eine Tasche mit meinen Laufsachen unter dem Rücksitz. Man weiß ja nie, wann einen der Drang überkommt.«
Kings Blick flatterte unwillkürlich zum Rückspiegel, in dem zuerst ein langes Bein auftauchte und dann ein zweites. Lange Hosen glitten herab, und an ihrer Stelle wurden Shorts über muskulöse Waden und Schenkel gezogen, die wie gemeißelt aussahen.
»Ach, ja«, sagte er und wandte den Blick ab, als Michelle sich aus ihrer Bluse zu schälen begann, »man kann nie wissen, wann einen dieser merkwürdige alte Drang überkommt.« Er sah zum Fenster hinaus und beobachtete, wie Kate Ramsey mit raumgreifenden Schritten Meter um Meter hinter sich ließ. Sie war schon beinahe außer Sicht.
»Michelle, du solltest dich beeilen, wenn du sie noch einholen…«
Er brach ab, als er hörte, wie die Hecktür geöffnet und wieder geschlossen wurde. Dann sah er Michelle in Jogging-Bustier, Shorts und Laufschuhen mit wirbelnden Beinen und rhythmisch bewegten Armen übers Gras flitzen. Mühelos verringerte sie die Entfernung zwischen sich und Kate. King konnte ihr nur noch verdutzt hinterherstarren.
»Verfluchte Olympiasportler«, murmelte er vor sich hin.
Michelle achtete zunächst sorgfältig darauf, außerhalb von Kates Blickfeld zu bleiben. Erst als sie sicher war, dass die junge Frau tatsächlich bloß zum Laufen hergekommen war, änderte sie ihre Taktik. Statt Kate nur zu beschatten, wollte sie die Gelegenheit beim Schopf packen und noch einmal mit ihr reden. Als sie sie einholte, sah Kate zu ihr herüber, runzelte die Stirn und lief prompt noch schneller. Michelle passte sich rasch an und lief Schritt um Schritt neben ihr her. Schließlich legte Kate einen Sprint ein, doch als Michelle immer noch mühelos mithielt, wurde sie endlich langsamer.
»Was wollen Sie?«, fragte sie mit deutlich angespannter Stimme.
»Mit Ihnen reden.«
»Wo ist denn Ihr Freund?«
»Der hat’s nicht so mit dem Laufen.«
»Ich hab Ihnen alles gesagt, was ich weiß.«
»Wirklich, Kate? Sehen Sie, ich will bloß versuchen, Sie zu verstehen. Ich möchte Ihnen helfen.«
»Hängen Sie hier bloß nicht die gute Freundin raus, klar? Wir sind hier nicht in einem lahmen Fernsehkrimi, in dem sich plötzlich alle verbrüdern.«
»Stimmt. Wir befinden uns im realen Leben und mittendrin in einer undurchsichtigen Affäre, in deren Verlauf schon mehrere Menschen ihr Leben verloren haben oder gekidnappt wurden. Wir wollen wissen, was da eigentlich gespielt wird, und dem oder den Tätern das Handwerk legen. Und meiner Meinung nach können Sie uns dabei helfen.«
»Ich kann weder Ihnen noch sonst wem helfen.«
»Sie haben’s doch noch nicht mal versucht.«
Kate blieb stehen. Die Hände in die Hüften gestemmt, sog sie kurzatmig die Luft ein und bedachte Michelle mit wütenden Blicken. »Was wissen Sie denn überhaupt schon? Von mir haben Sie jedenfalls nicht die geringste Ahnung.«
»Deshalb bin ich ja hier. Ich will mehr erfahren. Ich möchte alles wissen, was Sie mir zu erzählen bereit sind.«
»Sie kapieren’s einfach nicht, was? Ich hab das alles hinter mir gelassen. Ich will diese Phase meines Lebens nicht noch einmal durchmachen müssen.« Sie begannen erneut zu laufen. »Und außerdem weiß ich sowieso
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