Sean King 01 - Im Bruchteil der Sekunde: Roman
das bisher getan. Warum sollten jetzt plötzlich andere Spielregeln gelten?«
»Also, eines muss ich ihr lassen – sie ist eine begnadete Schauspielerin. Ich wäre niemals auf die Idee gekommen, dass sie in diese undurchsichtige Sache verwickelt sein könnte.«
»Nun ja, ihre Mutter galt als kommender Superstar in diesem Beruf. Vielleicht hat Kate ja diese Gene geerbt.« King machte ein nachdenkliches Gesicht, dann sagte er: »Hol Parks an die Strippe und frag ihn, was er in Sachen Bob Scott erreicht hat. Ich verspüre plötzlich ein großes Interesse an meinem ehemaligen Einsatzleiter.«
Wie sich herausstellte, war Parks in den vergangenen Stunden sehr fleißig gewesen. Er hatte festgestellt, dass die Adresse in Tennessee tatsächlich Bob Scott gehörte, und teilte Michelle mit, dass bei der Überprüfung gleich mehrere rätselhafte Umstände zu Tage getreten seien. Das Grundstück war eine etwas über zwölf Hektar umfassende Parzelle und lag im landwirtschaftlich orientierten, gebirgigen Osten des Bundesstaats. Während des Zweiten Weltkriegs und zwanzig Jahre darüber hinaus hatte es zu einem Armeelager gehört, bevor es in Privathände überging. Seit damals hatte es mehrmals den Besitzer gewechselt.
»Als ich rausfand«, sagte Parks zu Michelle, »dass das Grundstück früher Militärbesitz war, fing ich an mich zu fragen, was Scott wohl für ein Interesse an einem so weitläufigen Grundstück haben sollte. Er hat eine Weile in Montana gelebt und war in einer Bürgermiliz engagiert, warum also der Umzug nach Tennessee? Ich habe mich dann über Landkarten, Blaupausen und Diagramme hergemacht und dabei entdeckt, dass dieses Grundstück einen in einen Berg hinein gebauten Bunker besitzt. Während des Kalten Krieges haben Regierung und Militär Tausende von diesen Dingern bauen lassen, von kleinen, einfachen bis hin zu dem gigantischen im Greenbrier Resort in West Virginia, in dem im Falle eines Atomkriegs der ganze Kongress untergebracht werden sollte. Der Bunker auf Scotts Grund ist ziemlich gut ausgestattet mit Kojen, Kombüse, Badezimmern, Schießstand, Filtereinrichtungen für Wasser und Luft. Die Armee hatte das offenbar völlig vergessen, als sie das Grundstück verkauft hat. Und noch was Interessantes: Der Bunker enthält Zellen zur Unterbringung von Kriegsgefangenen – für den Fall einer Invasion, nehme ich an.«
»Ein unterirdisches Gefängnis«, sagte Michelle. »Sehr praktisch, wenn man eine Unterkunft für entführte Präsidentschaftskandidaten sucht.«
»Genau das denke ich mir auch. Außerdem liegt dieses Fleckchen Land in Tennessee gerade mal knapp zwei Autostunden von Bowlington entfernt, wo Ritter erschossen wurde. Ungefähr genauso weit ist es zum Schauplatz der Entführung Brunos. Die drei Orte bilden eine Art Dreieck auf der Landkarte.«
»Und Sie sind ganz sicher, dass es sich dabei um ›unseren‹ Bob Scott handelt?«, fragte Michelle.
»Bombensicher sogar. Ohne diesen alten Haftbefehl hätten wir ihn aber wohl kaum aufgespürt. Er ist abgetaucht – und zwar ziemlich gründlich, wie’s scheint.«
»Und Sie wollen immer noch dort hinfahren?«, fragte Michelle.
»Wir haben einen freundlichen Richter in Tennessee ausfindig gemacht, der uns einen Durchsuchungsbefehl ausgestellt hat. Wir werden diesem Stück Land also einen Besuch abstatten – aber wohlgemerkt unter einem Vorwand, denn ich will nicht, dass es dabei eine Schießerei und womöglich noch Tote gibt. Wenn wir erst mal drin sind, sehen wir weiter. Vom rechtlichen Standpunkt aus ist es ein bisschen heikel, aber ich denke mir, wenn wir Bruno rausholen können, bevor ihm was zustößt, und Scott einsacken, dann lohnt es sich allemal. Über den Rest sollen sich später die Anwälte die Köpfe zerbrechen.«
»Wann brechen Sie auf?«
»Es wird noch eine Weile dauern, bis wir alles beisammen haben. Ich möchte, dass wir dort bei hellem Tageslicht auftauchen, denn ich will nicht, dass dieser verrückte Scott das Feuer auf uns eröffnet, weil er uns für Einbrecher hält. Die Fahrt wird vier bis fünf Stunden dauern, wir brechen also morgen ganz früh auf. Wollen Sie immer noch mitkommen?«
»Ja«, sagte Michelle mit einem Seitenblick auf King. »Und vielleicht finden wir dort noch jemanden.«
»Wen denn?«, fragte Parks.
»Eine Dozentin mit einem uralten Groll.« Michelle schaltete das Handy ab und brachte King aufs Laufende. Dann zog sie ein Blatt Papier hervor und fing an, eine Liste aufzustellen.
»Okay, hier ist also
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