Sean King 01 - Im Bruchteil der Sekunde: Roman
geladen, und in der Kammer steckte eine Patrone. King legte die Pistole auf den Nachttisch, zog sich aus und kroch ins Bett. Er schlief rasch ein.
KAPITEL 65
Um zwei Uhr in der Nacht hob die Gestalt am Fenster eine Waffe, zielte auf die Schläferin im Bett und schoss durchs Fenster. Klirrend barst das Glas, und die Kugeln, die ins Bett trafen, zerrissen die Daunendecke. Federchen flatterten durch die Luft.
Von den Schüssen aus dem Schlaf gerissen, fiel Michelle von der Couch auf den Fußboden. Sie war über Joans Aufzeichnungen eingeschlafen, nun aber schlagartig hellwach. Sofort war ihr klar, dass eben jemand versucht hatte, sie umzubringen. Sie zog ihre Waffe und schoss zurück durchs Fenster. Dann hörte sie jemanden weglaufen und kroch zum Fenster. An der Wand zog sie sich ein Stück hoch und lugte vorsichtig über den Sims. Sie konnte immer noch hören, wie sich die Schritte des Attentäters entfernten. Der Atem des Fliehenden klang pfeifend, und für Michelles geschulte Ohren klang auch sein Gang merkwürdig, als ob die Person irgendwie verletzt oder behindert wäre, jedenfalls nicht normal. Als wären die Schritte ungleichmäßig lang. Entweder hatte sie den Kerl noch getroffen, oder er war schon vor seinem Anschlag verletzt gewesen. War es womöglich derselbe Mann, den sie angeschossen hatte, als er sie in ihrem Wagen erdrosseln wollte? Vielleicht der Kerl, der sich Simmons nannte?
Sie hörte einen Wagen anfahren und davonbrausen und machte gar nicht erst den Versuch, selber zum Wagen zu laufen und die Verfolgung aufzunehmen. Womöglich lauerte ihr da draußen noch ein zweiter Killer auf. Einmal war sie mit King schon in eine solche Falle getappt. Sie hatte keine Lust, diesen Fehler zu wiederholen.
Sie ging zu ihrem Bett und betrachtete die Bescherung. Vor einigen Stunden hatte sie sich hingelegt und ein kurzes Schläfchen gemacht, daher waren Deckbett und Kissen noch zusammengeschoben. Für den Attentäter musste es ausgesehen haben, als läge Michelle im Bett und schliefe.
Aber warum waren sie plötzlich hinter ihr her? Kam sie der Lösung des Rätsels zu nahe? So viel hatte sie schließlich gar nicht herausgefunden. Das Meiste ging ja auf Seans Konto und…
Michelle erstarrte. King! Sie schnappte sich das Telefon und wählte seine Nummer. Es klingelte und klingelte, doch niemand hob ab. Sollte sie die Polizei rufen? Parks? Vielleicht hatte King ja einen besonders tiefen Schlaf? Nein, sagte ihr eine innere Stimme.
Michelle rannte hinaus zu ihrem Wagen.
Der Rauchmelder weckte King. Im ersten Moment fühlte er sich noch benommen, doch dann wurde er mit einem Schlag hellwach und setzte sich auf. Überall war Rauch. Er sprang auf und stürzte gleich darauf, nach Luft ringend, zu Boden. Er schleppte sich zum Badezimmer, durchtränkte einen Waschlappen mit Wasser und legte ihn sich aufs Gesicht. Dann krabbelte er wieder hinaus, drückte sich mit dem Rücken an der Wand entlang und hebelte mit den Beinen die Kommode von der Tür fort. Er berührte die Tür mit den Fingerspitzen, stellte fest, dass sie nicht heiß war, und machte sie vorsichtig auf.
Der Flur draußen war voller Qualm, und der Rauchmelder schrillte unentwegt weiter. Leider war er nicht mit einer zentralen Überwachungsstelle verbunden, und die Freiwillige Feuerwehr – die einzige ihrer Art im ganzen Bezirk – war viel zu weit entfernt. Dass ein Außenstehender das Feuer bemerkt hatte, war bei der abgeschiedenen Lage des Hauses nicht zu erwarten. King kroch wieder ins Schlafzimmer zurück mit dem vagen Gedanken, von dort aus zu telefonieren, aber der Raum war so voller Qualm, dass er es kaum aushielt und Angst hatte, weiter hinein zu gehen. Er glitt wieder in den Flur hinaus und dann die Galerie entlang. Im Erdgeschoss sah er Funken und rote Flammen züngeln und hoffte zu Gott, dass die Treppe noch benutzbar war. Wenn nicht, würde er springen müssen, womöglich mitten in ein Inferno, und das war kein sonderlich reizvoller Gedanke.
Jetzt hörte er Geräusche von unten. Der Rauch brachte ihn zum Husten, und er hatte keinen größeren Wunsch, als möglichst schnell ins Freie zu kommen. Gleichzeitig war ihm bewusst, dass es eine Falle sein konnte. Er umklammerte die Pistole und schrie hinunter: »Wer ist da? Ich bin bewaffnet und schieße!«
Es kam keine Antwort, was sein Misstrauen noch erhöhte, bis er durch das Vorderfenster sehen konnte. Im Vorgarten erblickte er die blitzenden roten Lichter, und dann hörte er auch die Sirenen von
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