Sean King 02 - Mit jedem Schlag der Stunde: Roman
sah aus, als müsste sie sich übergeben. »Ich weiß«, sagte sie. Ihre Stimme zitterte. »Herrgott, mir war von Anfang an klar, dass die ganze Sache Blödsinn ist.«
»Und die Taste im Büro löst in den Zimmern Alarm aus, damit die Mädchen und die Freier gewarnt sind, falls irgendwelche Schwierigkeiten drohen, und dann verduften die Typen durch den Hinterausgang.«
»Ja«, bestätigte Lulu mit kläglicher Stimme. »Und ich lasse den Zugang zu den Korridoren ab und zu von Angestellten überwachen.«
»Wie ist Kyle Montgomery dann reingekommen?«
»Die Dame hat einen Zettel und ein Foto Montgomerys hinterlegt und mir auf diese Weise mitgeteilt, er wäre unbedenklich.« Sie drückte die Zigarette aus. »Eines kann ich Ihnen sagen: In der Nacht, als ich Montgomery gesehen habe, ist ihm jemand gefolgt. Einer der Aufpasser hatte es bemerkt.«
»Das war Sylvia Diaz, die Ärztin, für die Montgomery gearbeitet hat.«
»Der Name kommt mir bekannt vor.«
»Sie ist die hiesige Rechtsmedizinerin. Sie hatte dieselbe Gynäkologin wie Sie, bevor Sie gewechselt haben.«
»Ich habe die Gynäkologin nicht gewechselt.«
»Ist ja auch egal. Sie ist die Zeugin, die Montgomery hier beobachtet und den Streit zwischen ihm und der Frau belauscht hat.« Einen Augenblick lang schwieg King. »Sie müssen einen Schlussstrich ziehen, Lulu«, fuhr er schließlich fort. »Machen Sie noch heute ein Ende, oder es kommt zu einer Katastrophe.«
»Dann müsste ich die Beiträge erstatten. Das ist eine Menge Geld.«
»Nein, müssen Sie nicht. Diese Männer haben wissentlich gegen das Gesetz verstoßen. Sagen Sie ihnen, sie wären heute um ein Haar aufgeflogen und dass deswegen nun Feierabend ist. Erklären Sie ihnen, wenn die Beiträge erstattet werden, könnte man sie im Rahmen einer späteren Ermittlung entlarven. Ich bin sicher, dass die Typen auf die Kohle verzichten, um auf diese Weise ein Risiko zu vermeiden.« King schaute Lulu eindringlich an. »Das ist Ihr einziger Ausweg, Lulu.«
Endlich hatte sie ein Einsehen und nickte. »Ich werde sie alle noch heute verständigen.«
»Und sprechen Sie mit Ihren Kompagnons in Florida. Machen Sie denen klar, dass das Gesetz in Virginia einen langen Arm hat, der bis weit in den Süden reicht. Wenn diese Leute ihre Yachten und Liebchen nicht abschreiben wollen, sollten sie Ihnen erlauben, den Laden nach Ihren Vorstellungen zu schmeißen, ihn also auf Pole-Dancing und Bierzapfen zu beschränken. Das wirft auch einiges ab.«
King stand auf und winkte Michelle, damit sie sich ihm anschloss. »Und wenn Remmy Ihnen bezüglich der Kinder und der Fertigstellung des Hauses finanziell unter die Arme greift, kann es ja sein, dass Sie künftig mehr Zeit zu Hause verbringen möchten. Ich sage das nur so zur Anregung.«
»Danke«, rief Lulu, als sie das Büro verließen. »Ich stehe in Ihrer Schuld.«
King drehte sich um. »Ich dachte mir, dass für Sie die Zeit reif ist für einen Umschwung.« Er und Michelle wandten sich erneut zum Gehen, doch Lulu hatte noch etwas zu sagen.
»Ich weiß, was für ein Auto die Frau fährt. Einmal hab ich’s gesehen.«
»Wir wissen es auch. Einen alten Mercedes mit Klappdach.«
»Es ist ein echter Klassiker. Ein 300 SL-Sportwagen, Baujahr neunundfünfzig.«
»Woher kennen Sie so etwas?«, fragte Michelle.
»Einer meiner Kompagnons ist Auto-Fan. Er hat in Naples einen ganzen Fahrzeugpark solcher Oldies. Von ihm habe ich viel über Autos gelernt. Der Wagen, den die Frau fährt, ist ein Schmuckstück. Er ist ein Vermögen wert.«
King nuschelte etwas Unverständliches. »Lulu, betrachten Sie die Schuld als vollauf beglichen. Komm, Michelle.« Er fasste sie am Arm und schob sie zur Tür hinaus.
»Was soll die plötzliche Eile?«, fragte Michelle.
»Ich glaube, ich weiß, wo wir diesen Wagen finden.«
KAPITEL 62
King parkte den Lexus in einer Nebenstraße und stieg aus.
»Den Rest des Weges gehen wir zu Fuß. Ich möchte nicht, dass jemand uns sieht, wenn es sich vermeiden lässt.«
»Wohin geht’s denn?«
»Nur Geduld. Du wirst es gleich merken.«
Sie kletterten über ein Gartentor und schritten über einen Kiesweg. Durch eine Lücke in den Reihen der beiderseits gepflanzten, drei Meter fünfzig hohen Hecken erspähte Michelle in einiger Entfernung ein Gebäude. »Wir sind auf dem Anwesen der Battles«, stellte sie fest. Doch King nahm nicht die Richtung zu dem Haus. »Sean«, sagte Michelle, »das Wohnhaus steht da drüben.«
»Da will ich nicht
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