Sean King 02 - Mit jedem Schlag der Stunde: Roman
ab. Ihre Augen waren gerötet und geschwollen.
»Und warum sind Sie hier?«, fragte er.
»Ich will meine Sachen wiederhaben, Junior. Und zwar sofort.«
»Verdammt noch mal, ich habe Ihren Ehering nicht gestohlen.«
Plötzlich schrie sie ihn an. »Ich scheiß auf den verdammten Ring! Ich will die anderen Sachen zurück! Auf der Stelle!«
Junior schlug sich in hilflosem Zorn mit der Hand auf den Oberschenkel. »Wie oft muss ich es Ihnen noch sagen? Ich habe das Zeug nicht, weil ich nicht in Ihr Haus eingebrochen bin!«
»Ich zahle jeden Preis, den Sie verlangen«, bohrte sie weiter, ohne auf seine Unschuldsbeteuerungen einzugehen, und warf einen Blick auf das halbfertige Haus. »Ich bezahle Ihnen eine erstklassige Arbeitertruppe, die das Haus für Sie fertig stellt. Ich lasse es doppelt so groß bauen. Ich gebe Ihnen noch einen Swimmingpool dazu, was immer Sie wollen.« Sie stand jetzt genau vor ihm und hielt mit einer Hand seine verblasste Jeansjacke gepackt. »Ich gebe Ihnen alles, was Sie oder Lulu haben möchten. Aber als Gegenleistung will ich meine Sachen wiederhaben. Dann lasse ich alle Anklagen fallen, und Sie können in ein sehr luxuriöses Heim einziehen. Und den verdammten Ring können Sie meinetwegen behalten.«
»Mrs Battle, ich…«
Sie schlug ihm ins Gesicht, worauf er verstummte. Hätte ein Mann ihm eine runtergehauen, hätte er ihn auf der Stelle getötet. Nun aber reagierte er gar nicht.
»Wenn Sie mir die Sachen nicht geben, werden Sie sich wünschen, für zwanzig Jahre ins Gefängnis zu wandern. Sie werden darum betteln, wenn ich mit Ihnen fertig bin! Ich kenne gewisse Leute, Junior, die zu Ihnen kommen. Und Sie werden den Besuch dieser Leute niemals vergessen.« Sie ließ seine Jacke los. »Ich gebe Ihnen ein wenig Zeit, darüber nachzudenken, aber nicht sehr lange.«
Sie wandte sich zum Gehen, drehte sich dann aber noch einmal zu ihm um. »Noch etwas, Junior. Wenn Sie versuchen, etwas von den Sachen zu benutzen, auf welche Weise auch immer, oder wenn Sie sie einem anderen Menschen zeigen, komme ich vorbei und werde mich persönlich um Sie kümmern. Mit einer Schrotflinte, die mein Vater mir kurz vor seinem Tod vererbt hat. Dann werde ich Ihnen den großen, hässlichen Kopf von den Schultern pusten. Haben Sie verstanden?« Sie sprach in ruhigem, aber eiskaltem Tonfall, während jeder Schlag seines Herzens laut in Juniors Ohren dröhnte.
Remmy Battle schien eine Antwort auf ihre Frage für überflüssig zu halten. Sie setzte die Sonnenbrille wieder auf, drehte sich um und entfernte sich genauso leise, wie sie gekommen war.
Junior stand nur da und blickte ihr nach, während sein voller Bauch sich hob und senkte. Er war in seinem Leben schon in viele Barschlägereien gegen kräftige Männer verwickelt worden, die ihn ohne Rücksicht angegriffen hatten. Er hatte sich sogar einige Male schwere Verletzungen zugezogen. Während dieser Zwischenfälle hatte er jedes Mal Angst gehabt. Doch das war nichts im Vergleich zu der Panik, die er in diesem Moment empfand, denn er zweifelte nicht daran, dass diese Verrückte jedes ihrer Worte todernst gemeint hatte.
KAPITEL 35
Einige Tage später rief Chip Bailey vom FBI alle polizeilichen Mitarbeiter zusammen, die an der Suche nach dem Mörder von fünf Menschen beteiligt waren. Das Treffen fand am frühen Morgen im Polizeirevier von Wrightsburg statt. Die Wahl des Ortes empfand King – der neben Michelle, Todd Williams, verschiedenen Angehörigen der State Police Virginia und des FBI daran teilnahm – als kaum verhohlenen Versuch, davon abzulenken, wer nun das Sagen hatte. Schließlich brachte das FBI am meisten Gewicht auf die Waage. Die schlechte Laune Kings, die sich daraus ergab, machte sich schnell bemerkbar.
»Wir haben ein Profil«, sagte Bailey, während sein Assistent Schnellhefter an die Personen austeilte, die um den Tisch herum Platz genommen hatten.
»Lassen Sie mich raten«, sagte King. »Ein männlicher Weißer in den Zwanzigern oder Dreißigern, mindestens High-School-Abschluss, vielleicht sogar College. Überdurchschnittlicher IQ, hat trotzdem Probleme, über längere Zeit einen Job zu halten. Das älteste Kind von Eltern aus der Arbeiterschicht, mit Kindheitstrauma, einer dominanten Mutter, möglicherweise unehelich. Hat sich immer sehr für Polizeiarbeit interessiert und ist ein einzelgängerischer Kontrollfreak, der schon früh Interesse an sadomasochistischer Pornographie, Voyeurismus und der Misshandlung von kleinen Tieren
Weitere Kostenlose Bücher