Sean King 03 - Im Takt des Todes
Prototyp für Konzeptstudien. Aber um darauf zurückzukommen, was hier geschehen ist – in letzter Zeit sind viele Leute durch Babbage Town gekommen. Das schließt auch die hiesige Polizei mit ein, und zwar in Gestalt eines sabbernden, alten, Cowboyhut tragenden Trottels namens Merkle Hayes, sowie mehrere stramme Mitarbeiter des FBI .« Er legte das Röhrchen ab und schaute zu Sean. »Wissen Sie, was ich annehme?«
»Was?«
»Ich nehme an, dass sich dahinter eine riesige Verschwörung verbirgt – allerdings ohne die CIA . Diese Typen wären viel zu offensichtlich. Nein, ich denke, es hängt mit dem so genannten militärisch-industriellen Komplex zusammen, vor dem Präsident Eisenhower die Öffentlichkeit kurz vor Ende seiner Amtszeit gewarnt hat.«
Sean bemühte sich, seine Skepsis zu verbergen. »Und was hat das damit zu tun, dass Monk Turings Leiche in Camp Peary gefunden worden ist?«
»Direkt neben Camp Peary liegt ein Marinewaffenlager , und Camp Peary hat mal der Navy gehört.«
»Hat das, woran Sie arbeiten, irgendeine militärische Bedeutung?«
»Ich fürchte, das kann ich Ihnen nicht sagen.«
»Aber Sie arbeiten nicht für die Regierung, oder?«
»Sieht das hier in Ihren Augen wie eine Anlage der Regierung aus?«
»Vielleicht.« Sean schaute zu dem Kampfanzug an der Tür. »Karate? Kung Fu?«
»Taekwondo. Mein Vater hat mich dazu gebracht, als ich in die Highschool gekommen bin. Er hat mich zum Training geschickt, damit ich mich in der Schule verteidigen konnte. Es wird Sie vielleicht erschrecken, Mr. King, aber ich war so etwas wie ein Nerd, ein Spinner, hochintelligent, aber eben ein Spinner, der nur in seiner Computerwelt lebt. Und wenn es eines gibt, was Teenager hassen – besonders, wenn ihre Schuhgröße ihren IQ übersteigt –, dann ist es ein Nerd.« Champ schaute auf seine Uhr und schnappte sich dann ein paar Papiere vom Tisch.
Rasch sagte Sean: »Ich werde die Einzelheiten des Falles durchgehen müssen. Wenn Sie das alles nicht noch mal wiederkäuen wollen, kann ich auch mit Len Rivest sprechen.«
In diesem Augenblick kam eine kleine, stämmige, grauhaarige Frau mit einem Kaffeetablett herein. Sie verteilte Tassen, Zucker und Löffel.
»Doris«, wandte Champ sich an sie, »würden Sie Len Rivest bitten, zu uns zu kommen?«
Nachdem die Frau gegangen war, sagte Sean: »Ohne Ihnen etwas Vertrauliches entlocken zu wollen … Was genau ist Babbage Town? Der Fahrer wusste nicht, wie er es mir erklären sollte.«
Champ schien nicht antworten zu wollen.
»Ich brauche nur ein paar Hintergrundinformationen«, hakte Sean nach.
»Haben Sie je von Charles Babbage gehört?«, fragte Champ.
»Nein.«
»Er war von größter Bedeutung bei den Entwicklungen, die zum modernen Computer führten. Nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass der Mann 1791 geboren wurde, finden Sie nicht auch? Außerdem hat er das Tachometer erfunden, und als Liebhaber von Statistiken hat er Sterbetabellen erstellt – nach einem System, wie es noch heute von Versicherungen verwendet wird. Aber meiner Meinung nach war Babbages fantastischste Leistung, dass er den polyalphabetischen Vigenère-Chiffre entschlüsselt hat, der fast drei Jahrhunderte lang allen Dechiffrierungsversuchen widerstanden hat.«
»Den polyalphabetischen Vigenère-Chiffre?«
Champ nickte. »Blaise de Vigenère war ein französischer Diplomat, der diese Verschlüsselungstechnik im sechzehnten Jahrhundert entwickelt hat. Man bezeichnet ihn als polyalphabetisch , weil er mehrere Alphabete und nicht nur eins verwendet. Allerdings wurde er zweihundert Jahre lang nicht verwendet, da man ihn als zu komplex betrachtete, auch wenn er mit der üblichen Häufigkeitsanalyse nicht zu knacken war. Wissen Sie, was eine Häufigkeitsanalyse ist?«
»Ich habe keinen blassen Schimmer«, antwortete Sean.
»Die Häufigkeitsanalyse war der Heilige Gral der Codeknacker. Die Araber haben das Verfahren im neunten Jahrhundert erfunden. Häufigkeitsanalyse bedeutet genau das, was das Wort sagt: Man analysiert, wie oft bestimmte Buchstaben in einem Text vorkommen. Im Englischen ist der Buchstabe ›E‹ bei weitem der häufigste, gefolgt von ›T‹ und ›A‹. Das ist ungemein hilfreich, wenn man einen Code entschlüsseln will – oder zumindest war es das. Heutzutage basieren Verschlüsselungen auf der Länge geheimer Zahlenfolgen und der Geschwindigkeit und Leistung von Computern, diese Schlüssel zu errechnen. Also keine Spur mehr von linguistischer Romantik.
Vor
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