Sean King 03 - Im Takt des Todes
Bein zu beißen. Doch erschien weder ein Tier noch ein Mensch, um ihn zu begrüßen oder anzugreifen.
Horatio trat auf die Veranda und spähte durch die morsche Tür ins Innere. Das Haus schien verlassen zu sein; falls nicht, hatten die Bewohner einen neuen Maßstab für Minimalismus gesetzt.
»Kann ich Ihnen behilflich sein?«, fragte eine entschlossene Stimme.
Horatio drehte sich um und sah eine Frau an der Einfahrt stehen. Sie war jung, klein und rundlich, trug ein ausgeblichenes Sommerkleid und hatte ein fettes Baby an der linken Hüfte. Ihr Haar war dunkel und lockig und klebte in der feuchten Luft an ihrem Kopf.
Horatio ging auf sie zu. »Ich hoffe es«, sagte er. »Ich möchte gern etwas über die Leute herausfinden, die früher hier gewohnt haben.«
Die Frau schaute ihm über die Schulter. »Meinen Sie die Penner, Junkies und Huren?«
Horatio folgte ihrem Blick. »Oh, dann wird es heute dafür benutzt?«
»Ich bete, dass der Herr die Sünder niederstreckt.«
»Ich nehme an, die Sünder kommen nicht tagsüber, sondern nur in der Nacht.«
»Kein Gesetz befiehlt uns, dass wir uns des Nachts in unseren Betten verstecken müssen, und so sehen wir das Böse, und es ist das Böse.«
»Das tut mir leid für Sie. Aber ich habe nicht über … hm … über das Böse geredet. Ich meine eine Familie mit Namen Maxwell. Sie haben vor gut dreißig Jahren hier gewohnt.«
»Davon weiß ich nichts. Wir sind erst seit fünf Jahren hier.«
»Gibt es hier denn jemanden, der mir weiterhelfen könnte?«
Die Frau deutete mit ihrem dicken Finger auf das alte Bauernhaus. »Wegen den Teufeln da will niemand lange hierbleiben.« Ihr Baby bekam Schluckauf, und Speichel lief ihm aus dem Mund. Die Frau zog einen Fetzen aus der Tasche und wischte den Speichel ab.
Horatio gab ihr seine Visitenkarte. »Falls Ihnen doch noch jemand einfallen sollte, können Sie mich unter dieser Nummer erreichen.«
Die Frau musterte die Karte. »Sie sind ein Arzt oder so was?«
»So was in der Art.«
»Aus Wash–ing-ton ? « So wie sie das Wort betonte, klang es zutiefst verächtlich. »Das hier ist Tennessee.«
»Meine Praxis ist sehr groß.«
»Warum interessieren Sie diese Maxwells?«
»Das ist vertraulich. Aber ich kann Ihnen sagen, dass ich versuche, einer Patientin zu helfen.«
»Was ist Ihnen die Sache wert?«
»Ich dachte, Sie kennen die Leute nicht.«
»Ich kenne aber jemanden, der vielleicht mehr weiß – meine Oma. Sie hat uns ihr Haus gegeben, als sie selbst in ein Pflegeheim gezogen ist. Sie hat … oh, mindestens vierzig Jahr hier gelebt. Opa ist im Hinterhof begraben.«
»Wie nett.«
»Das Gras wächst an der Stelle richtig saftig; das kann ich Ihnen sagen.«
»Da bin ich sicher. Dann lebt Ihre Großmutter also in einem Pflegeheim. Hier in der Nähe?«
»Es ist ein staatliches Heim, gut eine Stunde von hier. Was anderes konnte sie sich nicht leisten. Deshalb hat sie uns auch ihr Haus überschrieben, damit sie staatliche Beihilfe bekommt. Sie wissen schon … Die Behörden sollten nicht erfahren, dass sie Eigentum hat.«
»Eigentum, um damit für ihre Pflege zu bezahlen?«
»Genau. Die Regierung haut uns doch ständig übers Ohr. Wir müssen für unseren gerechten Anteil kämpfen. Warten Sie noch ein paar Jahre, dann haben die verdammten Mexikaner hier das Sagen.« Sie schaute zum Himmel hinauf. »Herr, strecke mich nieder, ehe es so weit ist!«
»Sie sollten vorsichtig sein mit dem, was Sie sich wünschen. Ob Ihre Großmutter wohl mit mir sprechen wird?«
»Vielleicht. Sie hat gute und schlechte Tage. Ich versuche, sie so oft wie möglich zu sehen, aber mit dem Baby und noch zwei Kindern in der Schule … Und der Sprit wird ja auch immer teurer.« Sie musterte ihn. »Hmmm … wie viel ist Ihnen das denn wert?«
»Hängt davon ab, was Ihre Großmutter mir erzählt.« Horatio ließ sich einen Moment Zeit, um sich die Frau genauer anzuschauen. »Sagen wir mal … wenn die Information gut ist, zahle ich ihr hundert Dollar.«
»Sie wollen ihr das Geld bezahlen? Sie braucht kein Geld. Sie müssen mich bezahlen.«
Horatio lächelte. »Okay, ich werde Sie bezahlen. Können Sie einen Besuch für mich arrangieren?«
»Da wir jetzt im Geschäft sind, werde ich Sie begleiten. Schließlich möchte ich ja nicht, dass Sie unsere Abmachung wieder vergessen und aus der Stadt verschwinden, ohne gelöhnt zu haben.«
»Wann können wir gehen?«
»Mein Mann kommt um sechs nach Hause. Dann können wir fahren und wären kurz nach
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