Sean King 04 - Bis zum letzten Atemzug
mit Ihrer Frau gemacht hat?«
»Der Raum war nicht allzu groß. Ich glaube, eine Menge Leute haben es gesehen.«
»Aber Pam hat nicht reagiert?«
»Sie haben die Party nicht gemeinsam verlassen, so viel kann ich Ihnen sagen.« Hilal hielt kurz inne. »Ist sonst noch was? Ich muss jetzt nämlich nach Hause.«
Sean ging zu seinem Wagen zurück. Er glaubte Hilal aus zwei Gründen: Zum einen war da das Passwort auf Tucks Computer, »Cassandral«. Und zum anderen war da Tucks Behauptung, er habe finanzielle Probleme, und Hilal versuche, dies auszunutzen. Nach seinem Gespräch mit Tuck und Jane hatte Sean sich die Kontodaten, die er von Tucks Rechner gestohlen hatte, noch einmal genauer angesehen. Der Mann besaß ein Aktienportfolio, das einen achtstelligen Betrag wert war, und seine Schulden beliefen sich noch nicht einmal auf ein Viertel dieser Summe. Also war seine Behauptung, verarmt zu sein, an den Haaren herbeigezogen. Aber wenn die beiden wussten, dass Sean den Computer gehackt hatte, mussten sie doch auch gewusst haben, dass er sie als Lügner entlarven würde. Dennoch hatten Schwester und Bruder versucht, ihn an der Nase herumzuführen. Sean schob diese Überlegungen erst einmal beiseite und wandte sich offensichtlicheren Fragen zu.
Warum bist du früher zurückgekommen, Tuck? Und was hast du in der Stunde zwischen dem Flughafen und deinem Haus getan?
Auf der Fahrt zurück in sein Büro rief Sean bei Michelle an, aber sie ging nicht ran. Sean hinterließ eine Nachricht. Er machte sich Sorgen um seine Partnerin. Nach außen hin war sie der härteste Mensch, den er je getroffen hatte, doch inzwischen hatte er genug Risse in dieser Mauer gefunden, um tief in sie hineinschauen zu können.
Sean fuhr nach Hause, packte eine Reisetasche, fuhr zum Flughafen und zahlte einen exorbitanten Preis für einen Flug nach Jacksonville, der bereits in einer Stunde startete.
Er musste mit Cassandra Mallory reden. Persönlich.
Sean erhielt den Anruf auf der Fahrt zum Flughafen Dulles. Es war sein Freund Phil, der Sprachwissenschaftler von der Georgetown University. »Ich habe jemanden gefunden, der sich mit der Yi-Sprache auskennt«, berichtete Phil. »Wenn du mir eine Textprobe schickst, kann sie ja mal einen Blick drauf werfen.«
»Ich schicke dir sie per E-Mail«, erwiderte Sean. Als er am Flughafen eintraf, schickte er die Textprobe. Dann ging er zur Sicherheitskontrolle und betete, die Buchstaben auf den Armen der Toten mögen sich als Spur erweisen. Aber je mehr er darüber nachdachte, desto weniger glaubte er daran. Wie Michelle korrekterweise angemerkt hatte, war der Text noch nicht einmal Chinesisch.
Sean schaute sich das Bild von Cassandra Mallory an, das David Hilal ihm per E-Mail geschickt hatte. Sie verfügte definitiv über sämtliche Attribute, einen Mann zu verführen.
Als das kleine Flugzeug sich in den klaren Nachthimmel erhob, hoffte Sean, dass der Flug ihn Willa näherbrachte und ihn nicht weiter von ihr entfernte.
Mit jedem Tag, der verging, wuchs die Wahrscheinlichkeit, dass sie nicht das kleine Mädchen finden würden, sondern ihre Leiche.
26.
J ane Cox blickte aus dem Wohnzimmerfenster der Präsidentenwohnung. 1600 Pennsylvania Avenue lag genau im Zentrum der Hauptstadt. Dennoch hätte das Haus für jene, die hier lebten, genauso gut in einem anderen Sonnensystem liegen können. Außer den anderen Familien, die in diesem Haus gewohnt hatten, konnte niemand verstehen, was es bedeutete, sein Leben an die Präsidentschaft zu binden. Und selbst für diese Leute hatten die Zeiten sich geändert. So hatte Harry Truman vor gar nicht allzu vielen Jahren noch ohne Schutz durch die Stadt spazieren können. Heutzutage war das undenkbar. Außerdem hatten die Pressegeier damals noch nicht mit Argusaugen auf jede noch so kleine Chance gelauert.
Jane konnte nachvollziehen, warum einige First Ladys alkoholkrank oder depressiv geworden waren. Sie hatte sich bis jetzt von allem ferngehalten, abgesehen von dem ein oder anderen Glas Wein oder Bier im Wahlkampf. Ihre Drogenerfahrung beschränkte sich auf Marihuana während des Studiums und eine einzige Prise Kokain unmittelbar nach dem Examen bei einem Karibikurlaub. Damals hatte das Gott sei Dank niemanden interessiert, und auch später war es nicht wieder ausgegraben worden, als sie von einer emanzipierten Studentin zur »First Verlobten« geworden war.
Jane rief Pam Duttons Schwester an, sprach mit John und Colleen und tat ihr Bestes, die Kinder zu beruhigen.
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