"Seasons of Love" - Der Duft von Schnee - Band 1 (Liebesroman) (German Edition)
Ende des Parks angekommen, als rechts neben ihr etwas zwischen den Bäumen hervorschoss und mitten auf dem Weg stehen blieb. Sie kreischte entsetzt auf und blieb ruckartig stehen.
Eine langhaarige Gestalt drehte sich zu ihr und musterte sie aus zusammengekniffenen Augen. Eyleen erkannte, dass es sich um einen Mann handelte. Er stand direkt unter einer der wenigen Laternen und warf einen unheimlichen Schatten auf den Asphalt. Der Mann hatte ungefähr Eyleens Größe und Statur. Er stand völlig reglos da und musterte sie.
Ich blöde Kuh musste ja unbedingt diesen Weg nehmen. Das hab ich nun davon.
Sie sah über ihre Schulter in die Richtung, aus der sie gekommen war. Ob sie einfach kehrtmachen und losrennen sollte?
Zwar würde sie dann mit Sicherheit die letzte U-Bahn verpassen, aber immerhin bliebe sie am Leben.
Gerade, als sie umdrehen wollte, ertönte eine tiefe, angenehme Stimme.
»Entschuldige, falls ich dich erschreckt haben sollte, das war nicht meine Absicht«, erklärte der Mann und klang dabei so höflich und kultiviert, dass sie stutzte und innehielt.
Eyleen beäugte nun ihrerseits den Fremden etwas genauer. Ganz offensichtlich handelte es sich bei ihm um einen Obdachlosen.
Sein Haar war lang und filzig und er trug einen Bart. Seine Kleidung jedoch wirkte sauber, auch wenn sie nicht für diese kalte Jahreszeit geeignet war. Wie alt er war, konnte sie in der Dunkelheit nur schwer einschätzen.
»Schon gut«, gab sie zaghaft zurück, noch immer nicht sicher, ob sie sich nun aus dem Staub machen sollte oder nicht.
»Ein junges Ding wie du sollte nachts nicht den Weg durch den Park nehmen«, teilte er ihr in väterlichem Tonfall mit und sah sich um. »Hier treiben sich mitunter zwielichtige Gestalten herum.«
Die Art und Weise, wie er sich ausdrückte, ließ Eyleen darauf schließen, dass er eine gute Schulbildung genossen hatte. Aber wenn dem so war, was machte er dann hier und weshalb war er obdachlos?
Vielleicht tut er nur so und will mich beruhigen, nur um mich schließlich doch zu überfallen , dachte sie bei sich und trat automatisch einen weiteren Schritt zurück.
Als hätte der Mann ihre Gedanken gelesen, hob er beschwichtigend die Hände.
»Vor mir musst du keine Angst haben, ich tue keiner Fliege etwas zuleide«, beteuerte er und schlang sich die Arme um den Oberkörper.
Eyleens Blick fiel auf die viel zu dünne Windjacke, die er trug. Eindeutig zu wenig für diese Kälte.
Er lächelte milde.
»Irgendwo habe ich auch eine Tochter, die ungefähr in deinem Alter sein müsste und wenn ich mir vorstelle, sie würde des Nachts in irgendwelchen finsteren Parks umherstreifen, wird mir ganz anders zumute.«
Er hatte eine Tochter? Ob das der Wahrheit entsprach? Er konnte ihr ja einen vom Pferd erzählen, nur um sich ihr Vertrauen zu erschleichen, um ihr dann eines überzubraten.
Unweigerlich fragte sie sich wieder einmal, wo ihr eigener Vater steckte. War er vielleicht auch obdachlos, wie dieser Mann hier?
»Sie wissen nicht, wo ihre Tochter ist?«, erkundigte sie sich vorsichtig. Der Mann schüttelte seufzend den Kopf.
»Seit dem Tag, als es mit mir bergab ging, wollte sie nichts mehr mit mir zu tun haben«, entgegnete er traurig.
Er wirkte nicht, als würde er sie anlügen, das sagte ihr die Trauer, die sich in seinen Augen widerspiegelte. Trauer und Verzweiflung.
Eyleens Angst wich mit jedem seiner Worte und machte einer gehörigen Portion Wut platz.
Sie selbst hätte alles dafür gegeben, einen Vater zu haben und diese Frau ließ ihren Dad fallen, nur weil er den Boden unter den Füßen verloren hatte? War nicht die Familie das Einzige, auf das man sich verlassen können sollte?
War es nicht die Familie, die einen auffangen sollte, wenn es einem nicht gut ging?
Der Mann erschauderte und rieb sich fröstelnd die Oberarme.
»Ich wollte dich wirklich nicht erschrecken«, beteuerte er erneut und klang dabei so aufrichtig, dass Eyleen keine Zweifel an seiner Ehrlichkeit mehr hatte. Sie machte ein paar Schritte auf ihn zu.
»Ihnen ist kalt«, stellte sie fest. Er sah sie an und lächelte gequält.
»Bitte nenn mich doch einfach Graham«, bat er sie lächelnd. »Ja, diese Temperaturen kommen mir nicht gerade entgegen. Normalerweise halte ich mich des Nachts in der Pagode auf, aber die ist heute schon besetzt«, erklärte er und deutete in die Richtung, wo das chinesisch anmutende Gebäude lag, das Eyleen auch schon des Öfteren besucht hatte.
Ohne lange zu überlegen, zog sie ihren
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