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Sechs Jahre sind die Ewigkeit - Roman

Sechs Jahre sind die Ewigkeit - Roman

Titel: Sechs Jahre sind die Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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größeren, feuchten an den Außenseiten, zur Mitte hin die Reihen der trockenen. In der Mitte wird ein Nest aus dürrem Reisig angelegt, darauf kommt der Zündstoff und wird angebrannt. Ein solches Feuer brennt geruhsam, und die von unten angebrannten Scheite rutschen an den Konuswänden abwärts ins Feuer. Wenn dieses Feuer in einem bestimmten Winkel zum Wind hin angelegt wird, brennt es die ganze Nacht, wärmt das Zelt oder die Laubhütte und vertreibt die Mücken.
    Der Chante zeigte uns, wie man den Platz für ein Biwak im Wald so aussucht, dass es an der Erde nichtzieht und dass der Boden trocken bleibt, auch wie man eine Laubhütte nach der Sonne ausrichtet, so dass sie am Morgen den Kopf bescheint und am Abend die Füße.
    Von ihm lernten wir, wie nützlich ein Ameisenhaufen sein kann, denn die Ameisen suchen sich Plätze aus, die für den lebenden Organismus unschädlich sind – trocken und ohne Zugluft. Man kann eine Laubhütte ohne weiteres neben einen Ameisenhaufen stellen, muss aber darauf achten, dass die lebenswichtigen ameisenstraßen nicht zerstört werden. Dann bleiben auch Schlangen und Zecken der Laubhütte fern, diese Viecher kommen den Ameisen nicht zu nahe.
    Aus dem Verhalten von Vögeln, Bienen, Ameisen und anderem Kleingetier kann der Waldmensch erkennen, was für Wetter bevorsteht, ob Behausungen in der Nähe sind, ob Menschen sich nähern, ob Gefahr droht und vieles andere. Unter der Anleitung des Chanten flocht ich nach allen Regeln der Waldwissenschaft eine wasserdichte Laubhütte, die von weitem aussah wie eine Jaranga * .
    An den kühlen Abenden zogen die Männer Westen aus Ziegenfell über ihre Hemden. Solch ein Kleidungsstück hatte ich noch nie gesehen. Es bestand aus einem rechteckigen Stück Ziegenhaut mit einem Schlitz für den Kopf und angenähten Schnürbändern an den Seiten. Wenn sie zum Schlafen in die Hütte schlüpften, nahmen sie die Westen ab und breiteten sie mit der Fellseite nach oben als Unterlage aus. Der Chante sah mein Interesse und sagte, auf Ziegenfell kröchen weder Schlangen noch Insekten, und Wärme von unten sei gesünder als Wärme von oben.
    Am Morgen verschwanden die Männer mit ihren Rucksäcken, und am Abend kamen sie wieder. Wer sie waren und wovon sie lebten, war uns ein Rätsel. Erfahrene Leute, denen ich später von dieser Begegnung im Wald erzählte, vermuteten, die Männer hätten mit Haschisch gehandelt, das Rauschgift aus der südlichen Steppe nach Norden in die Lager gebracht, kurz, ein in damaliger Zeit lebensgefährliches Geschäft betrieben, auf das Tod durch Erschießen stand.
    Der Chante holte aus seinem Rucksack Feuerstahl, Zunder und Flintstein und lehrte mich den Gebrauch. Aus einem Ledersäckchen nahm er trockenes Kalfatermoos und drehte daraus vor meinen Augen einen Reservezunder, dann hieß er mich, ihm alles nachzumachen, und schenkte uns den Feuerstahl.
    Einmal, als mein Freund Mitja es nicht hören konnte, erklärte er mir, dass dessen Lunge nicht gesund sei und er gut essen, besser noch, in der nächsten Stadt sich von einem Lungenarzt behandeln lassen müsse.
    Der andere Mann befahl uns, am nächsten Tag, wenn sie weg seien, ebenfalls das Biwak zu verlassen, sonst kämen am Ende doch noch richtige Wachmänner her. Er zeigte mir oberhalb unserer Lichtung einen Pfad, auf dem wir unbemerkt zu den Abstellgleisen der Station gelangen könnten. Am Fluss entlang, so sagte er, dürften wir nicht gehen. Über sie beide sollten wir, wenn wir gefasst würden, kein Sterbenswörtchen verlieren, sondern sagen, wir hätten nichts gesehen und nichts gehört und wüssten von nichts. Und bevor wir gingen, sollten wir unsere Hütte auseinandernehmen und die Zweige in der Umgebung verteilen.
    Die Begegnung mit den Waldmännern war ein Geschenk des Schicksals, eine Schule des Überlebens in der Freiheit, im Wald, in der Natur. In meinem weiteren Leben als junger Unbehauster haben mir die von dem Chanten gelernten Fertigkeiten die Gesundheit gerettet.
    Als wir am nächsten Morgen in unserer Laubhütte erwachten, waren die beiden schon spurlos verschwunden. Bei der Feuerstelle lagen ein neuer Leinenrucksack und ein Stück gute Schnur. Und in der Asche fanden wir ein paar gebackene Kartoffeln: Der Schlitzäugige war vor dem Weggang noch einmal großzügig gewesen. Wir waren traurig ohne die beiden, besonders ohne den Chanten.
Die Kasachen
    Wir hielten uns an alles, was sie uns aufgetragen hatten, und betraten gegen Mittag den Pfad, von dem der Größere

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