Sechs Richtige (German Edition)
natürlich sagte niemand was, lediglich Jérôme gähnte und wirkte gelangweilt wie immer. Die Prönkel-Schwestern und die anderen Helgoländerinnen hatten Jérôme immer toll gefunden, aber nun, da sie ihn live erlebten, ging er ihnen total auf den Keks.
«Es sind noch zwei Sachen zu besprechen. Erst mal müssen wir noch ein Mädchen von hier aussuchen, die mitentscheiden darf, und dann habe ich noch ein Update der kommenden Tage für euch. Aber eins nach dem anderen. Erst mal wird Teilnehmerin Nummer neun ausgesucht, und die wiederum darf dann noch eine Freundin, Schwester, Cousine oder so auswählen. Sobald wir komplett sind, geht es los.» Sie machte eine Kunstpause, um den vor ihr Sitzenden die Möglichkeit zu geben, laut zu jubeln, aber alle saßen stumm auf ihren Stühlen und schauten sie an.
«Wie gesagt, bei uns kommt es auch auf die inneren Werte an», redete Fiffi weiter. «Das ist unheimlich wichtig, damit es hier auf dieser wunderschönen Ostseeinsel nicht zu Missgunst und Neid kommt.»
«Blablabla», machte Jérôme und gähnte.
«Nordseeinsel», sagte eins der Mädchen, eine Rothaarige mit Milchhaut und tellergroßen türkisfarbenen Augen.
«Sag ich doch. Nordmeer», sagte Fiffi lächelnd und klatschte.
«Nordmeer ist nicht Nordsee», sagte Lilly. «Ich habe darüber gelesen. Das Nordmeer ist ein Randmeer des Atlantiks. Das hat mit der Nordsee nichts zu tun. Die Nordsee …»
«Nicht jetzt», sagte Bonnie. «Das interessiert momentan keinen.»
«Geht’s denn heute noch mal weiter? Gustav muss ins Bett», giftete Jérôme. «Wenn er seine acht Stunden Schlaf nicht bekommt, ist mit ihm nicht gut Kirschenessen. Da kann Gustav ungemütlich werden.»
Fiffi kam aus dem Konzept. «Ja, Jérôme, nun warte mal.» Sie klatschte in die Hände. «Was denn nun, Nordsee oder Ostsee? Ist das nicht ein und dasselbe? Salz ist doch überall drin.»
«Es ist nicht wirklich dasselbe», sagte Hanno Prönkel, den das Ganze sehr amüsierte.
«Ach, egal. Wir sind hier nicht im Geschichtsunterricht.» Fiffi lachte und wedelte mit einem Umschlag. «Hier drin steht der Name des Mädchens, das bei
Face of the year
noch dabei sein wird. Wir haben alle Mädchen im passenden Alter, die hier auf der Insel wohnen, berücksichtigt. Und nun denken wir uns einfach mal einen Tusch!» Sie riss den Umschlag auf. «Es ist … tatatataaa … Antonia Prönkel!»
Vanessa schrie laut auf, umarmte ihre Schwester, die neben ihr stand, und auch alle anderen Mädchen jubelten. Antonia schaute zu Fiffi, und Fiffi zwinkerte ihr kurz zu.
«Freust du dich denn nicht?», schrie Frauke voller Enthusiasmus. «Krass, du bist dabei! Mann! Hammer!»
«Klar freu ich mich!» Antonia konnte es noch gar nicht glauben – aber Fiffi spielte tatsächlich mit.
«Und nun hast du, Antonia, Zeit bis morgen, dir noch jemanden auszusuchen.» Fiffi klatschte in die Hände. «Supidupi, dann sind wir nämlich komplett, und es kann losgehen!»
Die Leute von der Presse wurden nicht müde, jeden zu filmen und zu fotografieren. Und schon am selben Abend wurde alles im Fernsehen gezeigt, ein Privatsender hatte sogar eine einstündige Sondersendung, man hatte Fiffi seit der Idee des neuen Formats mit der Kamera begleitet und auch die Mädchen interviewt.
Morgen, so hatte Fiffi gesagt, würde man sich bitte um acht Uhr zum Frühstück treffen, dann müsse Antonia mitteilen, wen sie als zehntes Mädchen ausgesucht habe, und dann würde man die Instruktionen für Tag eins bekommen.
Die beiden anwesenden Psychologen, die exakt so aussahen, wie man sich Psychologen vorstellte, knöpften sich die Mädchen einzeln vor und fragten sie mit gepressten Stimmen, ob denn alles in Ordnung sei, ob sie die Eltern vermissten, ob das Essen ihnen geschmeckt habe und ob sie noch irgendwelche Fragen hätten. Wenn irgendwas sei, würden der Herr Müller und die Frau Tütenmaus natürlich für sie da sein. Es sei nämlich unheimlich wichtig, dass die Mädchen sich wohlfühlten.
Die beiden Psychologen mit ihren gütigen Blicken, ihren randlosen Brillen und ihren Strickjacken gingen allen Anwesenden nach einer Minute tierisch auf die Nerven. Aber das sagte keiner.
«Ich freue mich so für dich.» Frauke umarmte Antonia zum zehnten Mal, und die konnte es fast nicht glauben, wie fröhlich alle waren. Kein Neid war zu spüren, nichts. Wunderbar war das.
‹Freuen sie sich wirklich für mich, oder tun sie nur so, weil sie hoffen, dass ich sie auswähle?›, dachte Antonia, die
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