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Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)

Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)

Titel: Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Hasselbusch
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Autoreifen. »Bringt ganz schön was, oder?«, fragte er grinsend und ließ die Muskeln an seinem linken Oberarm spielen. Nicht überheblich, einfach nur fröhlich.
    »Nicht schlecht. Haben Sie mal nachgemessen? Ich habe nämlich gerade gelesen, dass ein Inder den Mucki-Rekord hält. Sein Oberarm hat einen Umfang von knapp achtzig Zentimetern.«
    »Beide zusammen?«
    »Nee, nee, ein einziger«, erwiderte ich und maß seinen Oberarm gedanklich ab.
    »Da muss ich wohl noch mal ran!«
    »Befürchte ich auch. Sind Sie Herr Telgmann?« Ich versuchte, den absurden Start der Begegnung wieder in einigermaßen zivile, allgemein gebräuchliche Umgangsformen zu lenken. Mein Gegenüber machte mir einen Strich durch die Rechnung und lachte lauthals los.
    »So hat mich ja schon seit Jahrzehnten keiner mehr genannt. Mensch, ich bin Kaschi. Wer bist du denn?« Ich reichte ihm die Hand, die er kräftig schüttelte. Die Größe der Muckis reichte doch vollends aus.
    »Jule Claussen, also Jule.« Nachnamen schienen hier Schallund Rauch zu sein. »Carl schickt mich. Also, ich habe Ihre Adresse von ihm.« Ein spöttisches Zucken spielte um Kaschis Mundwinkel, vermutlich, weil ich den Begriff Adresse gewählt hatte. Hinterm Schrottplatz 1.
    »Ach, du bist Jule. Das ist ja schön. Komm rein.« Kaschi öffnete die Tür und ließ mich über die kleine eiserne Stiege in seinen Wohnwagen eintreten. »Mein kleiner Palast. Nicht gerade wie bei Königs, aber dafür nervt mich keine Königin!« Aus seinen leuchtenden Augen zwinkerte er mir zu.
    »Und jetzt komme ich und nerve Sie.«
    »Nee, Prinzessinnen sind immer erwünscht.« Ein unrasierter Charmeur in Badelatschen. »Verehrte Jule, hier befinden Sie sich im Hauptbereich des Anwesens, Schlafzimmer.« Er zeigte auf eine durchgelegene Matratze auf dem Fußboden. »Küche.« Er deutete galant auf eine einzelne Herdplatte, die auf einem wackeligen Tisch stand, bedeckt von alten Kaffeetassen, einer offenen Packung Zucker, halbleeren Keksschachteln und Fantadosen.
    »Der ganze Bereich erstreckt sich über acht Quadratmeter. Der Nassbereich ist über die Außentreppe erreichbar. Keine störenden Nachbarn rechts und links, keine Kaution. Nehmen Sie’s?« Wie einer dieser schnöseligen Makler bot er seinen Wohnwagen an und brach danach in ein kehliges Lachen aus. Der Kerl machte keine Umschweife. Kaum war ich eine Minute in diesem Wagen, schon fühlte ich mich wie adoptiert. Kein Wunder, dass er mit Carl befreundet war. Apropos.
    »Wieso kannten Sie meinen Namen? Hat Carl mal von mir erzählt?« Schon wieder grinste er.
    »Ob er mal was von dir erzählt hat? Du bist wirklich lustig!« Mit der Antwort musste ich mich offenbar begnügen. »Was genau bringt dich denn hierher, Jule?«
    »Ich arbeite beim Radio, und mein Chef hat mich auf Lottogewinner angesetzt. Ein Hamburger hat den Jackpot geknackt.Und jetzt soll ich Geschichten über Leute liefern, die schon mal im Lotto so richtig abgesahnt haben.« Während ich erzählte, hatte Kaschi mich sanft in einen zum Sessel umfunktionierten Gartenstuhl gedrückt. Fühlte sich ähnlich unbequem, aber auch ähnlich heimelig an wie auf Carls Orangenkiste. Kaschi selbst hockte sich auf einen alten Holzstuhl.
    »Aha. Und da macht sich für euch sensationslüsterne Journalisten natürlich einer besonders gut, der all die Millionen versoffen und verzockt hat, oder?«
    Mir war nicht klar, ob es ihn störte, dass das der offensichtliche Grund für meinen Besuch war. Ob er sich über mich ärgerte, über Carl, der mich hergeschickt hatte, oder ob er stolz darauf war, nicht zu den Typen zu gehören, die ihr Vermögen gut und sicher angelegt hatten. Trotz des Schalks im Nacken war schwer zu erkennen, ob Karsten Telgmann nicht doch einen Hals auf sich selbst hatte. Aber plötzlich lachte er wieder laut heraus.
    »Würde ich an deiner Stelle genauso machen. Was willste denn wissen, Jule? Komm ich ins Fernsehen?«
    »Nee. Nur ins Radio.«
    »Schade. Sonst hätte ich mich glatt mal wieder rasiert.« Er fuhr sich mit der rechten Hand durch seinen struppigen Bart. »Das mache ich nämlich nur in ganz besonderen Fällen.«
    Ich winkte ab. »Tut gar nicht not. Ich habe mein Mikro dabei und stelle Ihnen ein paar Fragen. Wenn Sie sich verhaspeln, ist das auch egal, das kann man rausschneiden.«
    Kaschi inspizierte interessiert das handliche Mikrofon, das ich aus meiner Tasche zog.
    »Hat man früher nicht mit so immens großen Bandmaschinen gearbeitet, die fast schwerer waren als

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