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Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)

Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)

Titel: Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Hasselbusch
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versuchte, meine mächtigen Knie mit den Händen zu bedecken. Der muskulöse Kaschi war offenbar ein Mann, der auf XXS-Frauen stand.
    »Jule, du bist herrlich. So seid ihr Frauen. Mann, ich hab die neunundvierzig und die fünfzehn genommen und das zusammengerechnet, dann hatte ich ihr Gewicht, glaube ich. War mir doch wurscht, was die gewogen hat. Ich brauchte Zahlen.« Erleichtert atmete ich wieder aus.
    »Okay!«, sagte ich so nüchtern wie möglich. »Und was haben Sie dann mit dem Geld gemacht?«
    Kaschi zuckte mit den Achseln. »Das, was ich vorher eigentlich schon tun wollte. Ich habe mich sinnlos betrunken. Verzockt und versoffen hab ich es. Und es in die Mädchen gesteckt.«
    Meine Gesichtszüge entglitten kurz, ich unterdrückte ein Lächeln, da die Formulierung mit den Mädchen zumindest zweideutig war. Als Frau sollte man über solche plumpen Scherze zwar nicht lachen, aber ich vermutete seit jeher, dass ich ein Junge werden sollte.
    »Und dann war das ganze Geld weg?« Es überraschte mich, dass man umgerechnet rund zwei Millionen Euro so schnell verzocken konnte.
    »Ja, das sind viele Schnäpse, Jule, glaub’s mir. Aber es war mir egal. Carl hat mich wenigstens noch überredet, den Wohnwagen zu kaufen.«
    »Aber nicht den hier, oder?«
    »Nein, nein. Ich hatte diesen modernen, in dem ich Würstchenverkauft habe. Das war super. ›Kaschis heiße Kiste‹. Das Schild habe ich ja noch da draußen.« Stimmt. Darüber wäre ich vorhin beinahe gestolpert. »Das war eine tolle Zeit. Das Geschäft lief ganz gut. Ich hatte immer was um die Ohren. Die Leute sind gern zu mir gekommen, die zwei Stühle hier standen vor dem Wohnwagen.« Er deutete auf die Campingstühle, auf denen wir saßen. »Die Stühle haben schon so manch tiefschürfendes Gespräch belauscht. Wir haben über Gott und die Welt, über Fußball und die Frauen gesprochen. Ich sag dir, eine leckere Currywurst löst die Zunge.« Prompt knurrte mein Magen.
    »Oh, kann ich dir irgendwas anbieten, Jule? Tee, Kaffee, Snickers?« Ich schüttelte den Kopf.
    »Nein, danke, ich trinke gar keinen Kaffee.«
    »Ach ja, ihr zwei Kakaotrinker. Verrückt. Das steckt wohl in den Genen. Carl war manchmal hier und hat Currywurst mit meiner Spezialsoße gegessen. Extra scharf. War eine tolle Zeit. So ’ne Art Hassliebe zwischen uns, wenn man das überhaupt sagen kann über eine Männerfreundschaft.«
    Ich fand schon, dass das möglich war. Liebe war ja schließlich kein Wort, das nur Paaren vorbehalten war. In Freundschaften steckte oft mehr Leidenschaft als in ausgelutschten, belanglosen, eingefrorenen Beziehungen. Apropos: Ulf hatte schon lange nichts mehr gesagt und von sich hören lassen. Ihn würde ich vermutlich auch bald entsorgen können, wenn er das gedanklich nicht schon selbst längst getan hatte.
    Wieder war ich abgelenkt. Kaschi schien es mir nicht übel zu nehmen.
    »Und was ist dann mit dem Wohnwagen passiert?«, fragte ich.
    »Irgendjemand hat ihn abgefackelt, letztes Jahr. In Hamburg werden ständig Autos angezündet.«
    »Ja, das stimmt, zuerst ja eher große Schlitten gut betuchter Hamburger. Aber in letzter Zeit wird auch vorm kleinsten Fiat Panda nicht mehr haltgemacht.«
    »Die spinnen. Was das nun mit meinem Wohnwagen sollte, konnte nie geklärt werden. Die Versicherung hat nichts gezahlt, weil sie erst dachten, ich hätte das selbst gemacht. So ein Blödsinn. Vielleicht waren es andere Würstchenbudenbesitzer, denen die Konkurrenz zu groß wurde. Was weiß ich!« Er klang, als würde ihn der materielle Schaden nicht berühren. Die emotionale Enttäuschung saß viel tiefer.
    »Wenigstens können Sie jetzt offenbar in Frieden leben.«
    Kaschi kratzte sich am Kopf.
    »Hier in der Gegend haben sich ein paar Leute zusammengetan, die bei mir immer gegessen haben. Sie haben mich als Hausmeister für den Hinterhof engagiert. Keiner sagt was, wenn ich hier mein Lager aufschlage, dafür fege ich manchmal den Hof durch.« Und so einen Wachhund wie Kaschi zu haben, schadet auf St. Pauli auch nicht, dachte ich mir. Ich konnte mir gut vorstellen, dass seine Loyalität seinen Freunden gegenüber grenzenlos war und er jeden Verbrecher in die Flucht schlagen würde, wenn es darauf ankäme.
    »Das sehe ich! Alles blitzblank«, erwiderte ich laut lachend. »Von wem ist der VW-Bulli hier eigentlich?«
    »Der Wagen gehörte Carl, mit dem waren wir in Griechenland. Den hat uns damals so ein junger Typ aus unserer Stammkneipe, der irgendwas mit Autos zu tun hatte,

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