Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)
uns, die wir zu wenig Körpergefühl hatten, etwas von seinem abzugeben. André gab den Hörern etwas von seinem Humor ab, ob sie wollten oder nicht. Und ich gab, ja, mir fiel nichts ein. Ach doch, ich würde gerne etwas von meinem überflüssigen Kniefett abgeben.
»Habe ich dir schon mal was abgegeben?«, fragte ich Verena zusammenhangslos.
»Was? Ja, klar, neulich von deinem Nachtisch beim Italiener. Wieso?«
»Nur so!« Ich winkte ab und war froh, dass ich Verena tatsächlich von meiner Panna cotta hatte kosten lassen. Das war schon eine große Geste, ein viel größerer Verlust, als es für einen Millionär war, einen Tausender springen zu lassen. Aber was sinnierte ich? Um mich ging es hier schließlich nicht.
»Was machst du denn?«, fragte ich Helen, die in ihrer Tasche wühlte. »Suchst du nach noch mehr Umschlägen?«
»Nein, ich will nur Jens simsen, dass wir Freitag ins Kino gehen. Ich finde das total süß. Nicht, dass wir uns das nicht auch so hätten leisten können, aber das ist doch echt nett, wer auch immer von euch das war!« Sie schaute spitzbübisch in die Runde, wir alle kopfschüttelnd zurück.
»Ich war das nicht«, erklang es wie aus einem Munde.
»Soll ich mal Holger anrufen und fragen, ob vor seiner Haustür eine Yacht parkt?« Verena amüsierte sich königlich über den After-Sports-Club in der Umkleidekabine. Leider hatte sie etwas zu laut gesprochen.
»Verena, chica , bist du noch da drin?« Rafael musste vor der Tür gelauert haben. Panisch versteckte sich meine Freundin hinter meinem Rücken.
»Bitte, bitte, hilf mir. Eben wolltest du wissen, ob du mir schon mal was abgegeben hast. Ich würde dir gerne was abgeben.« Sie zeigte zur Tür. »Ihn!« Mein Zeigefinger ging flink von links nach rechts.
»Nichts da!« Trotzdem ging ich zur Umkleidekabine und hielt mein Handtuch wie zum Schutz vor neugierigen Blicken vor meinen komplett angekleideten Körper. »Verena geht es nicht gut. Habe ich doch gesagt.«
»Kann ich helfen?« Ralf tat sein Möglichstes, um einen Blick in die Umkleidekabine zu erhaschen. Mann, nervte der.
»Lieber nicht. Sie hat Magenprobleme.«
»Gefallen ihr meine Haare nicht?« Ich verdrehte die Augen, kam mir vor wie bei den Stoppelhopsern oder wo auch immer, auf jeden Fall wie im Kindergarten.
»Die Haare sind nicht dein Problem, sondern was ganz anderes. Du hast viel zu wilde, unorthodoxe Schrittkombinationen gemacht, ihr geht’s richtig schlecht. Sie muss nach Hause.«
»Soll ich …«
» Nein, ich bringe sie. Du solltest mal lieber ganz still sein. Bist du sicher, dass das echte Zumbaschritte waren? Dabei dürfte einem doch eigentlich nicht so schummrig vor Augen werden, oder?«
Ernst fixierte ich Ralf, der inzwischen einen halben Schritt zurück gemacht hatte.
»Doch, doch, das ist alles korrekt!« Er stammelte so sehr, dass ich den Verdacht hatte, dass er irgendetwas auf dem Kerbholz hatte. Sei es illegaler Zumba-Choreografie-Handel, unerlaubtes Abspielen von Ricky-Martin-Titeln, oder aber er hatte die Zeche beim Friseur geprellt. Es reichte jedenfalls aus, dass er sich seine uralte, aufgeplatzte blaue Adidas-Tasche schnappte und zum Ausgang eilte.
»Den wären wir los!« Verena umarmte mich dankbar.
Wie oft hatten wir uns schon gegenseitig gerettet! In einem gemeinsamen Spanienurlaub vor vielen Jahren hatte ich einem zu hartnäckigen Verehrer von Verena mal als Ersatz die dröge Rezeptionistin auf den Hals gejagt. Als er auf diese nicht angesprungen war, musste Abführmittel herhalten. Verena und ich hatten danach unsere Ruhe. Der Kerl hatte sich in die Arzthelferin verknallt, die ihm persönlich half, das Rezept gegen Darmprobleme einzulösen. Unsere Freundschaft barg einige Geheimnisse, die selbst die Kriminalpolizei im Nachhinein noch würden aufhorchen lassen.
Wir sprangen schnell unter die Dusche, zogen unsere Straßenklamotten an und warteten dann noch ein paar Minuten aufder Bank in der Umkleidekabine, um ganz sicherzugehen, dass wir Ralf nicht doch noch in die Arme liefen. Helen, Andrea und die anderen Damen hatten bereits fröhlich plaudernd das Sportstudio verlassen. Verenas Handy piepste.
»Keine Sorge, es ist nicht Ralf, nur Holli. Nein, er sieht keine Yacht, schreibt er und fragt, ob wir bekloppt sind.« Der hatte wegen seiner immensen Immobiliengeschäfte die lächerliche Yacht wohl schon längst wieder vergessen. Was für ein kurioser Tag. Ich erzählte Verena von Markus Röck und unserer Verabredung.
»Du gehst mit einem
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