Sechs Richtige und eine Falsche: Roman (German Edition)
Fettiges mit einer riesigen Portion Pommes könnte ich jetzt auch gut vertragen. Auch wenn Ulf anderer Meinung war. Nach der gestrigen Aufregung hatteich das Essen eingestellt, was bei mir nie länger als vierundzwanzig Stunden anhielt.
»Ich finde ihn richtig nett und lustig, den Kaschi. Hat er wirklich so viel in Spielhallen rumgehangen und sein Geld verdaddelt und versoffen?« Ich wählte absichtlich den Begriff versoffen, um Carl zu provozieren, der ja schließlich Kaschis Freund war, diesen aber offenbar nicht von seinen Fehltritten hatte abhalten können.
»Ja, kann schon sein. Er hat nicht so viel über das Geld gesprochen.« Merkwürdige Freundschaft. Verena und ich würden stundenlang darüber reden, wenn eine von uns so eine Stange Geld zur Verfügung hätte. Ich erschrak über mich selbst, hatte ich doch glatt vergessen, dass halb Hamburg genau das von mir dachte. Der betörende Duftmix aus Zitronengras, Kräutern der Provence und Anis hatte mir das letzte Fünkchen Verstand vernebelt.
»Kaschi würde übrigens gerne noch mal mit dir sprechen, um dir die Geschichte mit dem Wohnwagen zu erzählen.« Carl erhob sich in Zeitlupe aus seinem Sessel und schlurfte in Richtung Küche.
»Die kenne ich doch schon längst.« Ich erinnerte mich an das Telefonat mit Thomas von der ›Mopo‹.
»Ach so!«, meinte Carl und drehte sich wieder um. »Dann brauchst du seine Handynummer ja gar nicht mehr. Die hatte er extra hiergelassen.«
Das Läuten der Ladentür bewahrte mich davor, mir selbst an die Stirn zu schlagen. »Warum in die Ferne schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah!«, traf offenbar auch für Handynummern zu. Egal, abgehakt. Ich hatte ganz andere Probleme. Und Carl erst.
Maria Resche stand mit einem kämpferischen Gesichtsausdruck in der Tür. Wie immer einen Schritt drin, einen Fuß auf der Treppe. Hinter ihr hatten sich zwei weitere Mieter platziert, die sich nicht richtig reintrauten. Sie sahen so aus, als seien sieüberredet worden, an einer Demonstration teilzunehmen, würden aber viel lieber in der warmen Badewanne liegen. Apropos Badewanne.
»Der Keller steht unter Wasser!«, zeterte die Resche los. »Das machen wir wirklich nicht mehr mit. Wann gedenken Sie, etwas zu tun?« Carl seufzte. Der Kakao würde kalt werden, bis das Kellerthema gelöst war.
»So tief Wasser. Bonny wäre fast ertrunken.« Theatralisch zeigte meine Nachbarin auf ihre Knie. So hoch sollte das Wasser bei uns stehen?
»Na, na, nun übertreiben Sie mal nicht. Es hat ja gar nicht geregnet.« Carls Laune konnte so schnell niemand trüben, zu oft hatte er sich schon das Gemecker von Frau Resche angehört.
»Herr Reblien und Frau Schnatt machen da auch nicht mehr lange mit.« Maria Resche winkte die beiden heran, die zögerlich von einem Fuß auf den anderen traten.
»Lassen Sie bitte jemanden kommen, der sich drum kümmert«, bat Herr Reblien und machte auf dem Absatz kehrt. Frau Schnatt folgte ihm prompt.
»Sie interessieren sich nicht für Ihre Mieter!«, bemängelte die Nörglerin.
»Ich kümmer mich schon drum, keine Sorge. Kümmern Sie sich mal um Ihren Hund. Vielleicht sollten Sie ihm das Schwimmen beibringen.« Maria Resche drehte sich zur Seite, ich hatte das Gefühl, einen wehmütigen Zug um ihre Augen zu erkennen. Ihr Hund war offenbar ihr Ein und Alles, und die Vorstellung, dass er in den Fluten des Kellers ertrinken könnte, schien sie aus der Fassung zu bringen. Carl war manchmal aber auch wirklich etwas gefühllos.
»Ich komme mal mit«, bot ich an und leerte meine Kakaotasse. Carl machte keine Anstalten, sich den Keller anzuschauen. Kurze Zeit später stand ich wieder kopfschüttelnd im »Würz« und nahm innerlich zurück, dass ich Verständnis für Maria Reschehatte aufbringen wollen. Sie war die griesgrämigste Nachbarin, die man sich vorstellen konnte, und übertrieb maßlos.
»Na, wie hoch steht es denn?«, fragte Carl lapidar, weil er diese und ähnliche Szenen schon x-mal erlebt hatte.
»Von wegen knietief«, gab ich erschüttert an. »Es ist eine winzige Pfütze.«
Carl winkte ab. »Oder der Köter hat das ganze Wasser eben weggesoffen!«
Der Schneeball und das böse Wort,
sie wachsen, wie sie rollen fort.
Eine Handvoll wirf zum Tor hinaus.
Ein Berg wird’s vor des Nachbarn Haus.
Wilhelm Müller
Mit Gerüchten verhielt es sich ähnlich wie mit Grippeviren. Sie verbreiteten sich rasend schnell und konnten einem sehr unangenehm zu schaffen machen. Mir schwante, dass die Behauptung, ich hätte
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