SECHS
Anfang und war knapp drei Meter lang. Nach seinen Berechnungen sprach das für eine Geschwindigkeit von etwa fünfunddreißig Stundenkilometern, aus der das Auto abgebremst worden war. Erst nach einigen weiteren Metern, ohne jegliche Spuren, folgte das sieben Meter lange Zeugnis des zweiten Bremsversuchs. Das bedeutete doch, dass die Frau zunächst gebremst, dann wieder beschleunigt haben musste, nur um danach erneut auf die Bremse zu treten. Aber warum?
Es gab viele mögliche Antworten. Eine war, dass spielende Kinder, ein Hund oder etwas anderes sie zur ersten Bremsung veranlasst hatte. Die Frau mochte durch den Vorfall vielleicht noch immer abgelenkt gewesen sein nachdem sie wieder Gas gegeben hatte und dadurch traf sie auf Frank Brenner.
Gegen diese These sprach, dass weder die Zeugen noch die Fahrerin selbst von Hindernissen berichtet hatten, die Fay zu einer ersten Bremsung veranlasst haben könnten. Aber selbst hierfür gab es eine Vielzahl möglicher Erklärungen.
Wie auch immer. Mit der Ungereimtheit der Entstehung der ersten Bremsspur hatten weder er noch seine Kollegin Severin sich auseinandergesetzt. Ihr konnte man das nachsehen, schließlich war sie eine noch junge Kollegin, kein alter Hase wie er. Aber ihm nicht.
Er würde es am Ende herausfinden. Deshalb beschloss er, sein Versäumnis nachzuholen und Frau Fay um eine Erklärung für die zwei Bremsungen bitten. Gleich morgen.
-43-
Die Party von Rentsch war in vollem Gange. Überall standen Gäste herum. Im Wohnzimmer, im Flur, ja selbst in der Küche. Das ganze Haus war erfüllt von einem Meer aus Stimmen. Viele der geladenen Gratulanten waren mit ihren Partnern zugegen, was die Zahl der Personen auf fast das Doppelte hatte ansteigen lassen.
Während Arthur Rentsch lächelnd von einem zum anderen schlenderte, Beziehungen knüpfte oder bestehende verfestigte, lief Swantje durch die Gegend wie ein Dieselaggregat unter Volllast. Nicht nur, dass sie dauernd Essen und Getränke heranschaffte, nebenbei behielt sie auch noch ihren Mann im Auge.
Auffällig oft hatte er sich in letzter Zeit suchend umgesehen. Und wenn ihr Mann in dieser Weise Ausschau hielt, dann sicherlich nicht wegen eines Gastes der gewöhnlichen Sorte. Sie war gespannt, wann dieser Jemand auftauchte. Bis es so weit war, würde sie sich eben bemühen, in seinem Kielwasser zu kreuzen – möglichst ohne, dass er davon Notiz nahm.
Und Rentsch nahm davon keine Notiz. Nicht einmal von den Small-Talks, die er unablässig, mehr ab- als anwesend, führte. Er war so sehr darauf bedacht seine Sekretärin zu erspähen, dass er es nicht einmal bemerkt hätte, wenn ihn auf seiner Runde ein Gorilla begegnet wäre. Das änderte sich erst, als der Gast eintraf.
Sowohl Swantje als auch Arthur Rentsch registrierten die sich öffnende Wohnungstür gleichzeitig. Langsam schob sich ein Kopf durch die Öffnung und lugte unsicher herein. Dann schwang die Tür ganz auf und eine Frau trat ein. Es war seine Sekretärin. Swantjes Blicke schossen sofort wieder in Richtung ihres Mannes. Der stand wie angewurzelt da und glotze den Neuankömmling an. Und in diesem Moment wusste sie, auf wen er die ganze Zeit so ungeduldig gewartet hatte. Auf Jüngeres. Ihr Gesicht verfinsterte sich.
Rentsch, der sich gerade in einer Unterhaltung befand, ging einfach davon, ließ seinen Gast irritiert zurück.
Nachdem er einen, für seine Fülle geradezu eleganten Slalom durch die Menge vollführt hatte, tauchte er wie ein Kastenteufel vor Yasmin auf. Die zuckte erschrocken zusammen.
„Je später der Abend, desto schöner die Gäste“, raunte er mit einem breiten Lächeln.
„Es ist ein bisschen später geworden. Ich hoffe, das ist okay?“
„Aber natürlich, aber natürlich! Sie sind ja nun da. Kommen Sie mit, wir besorgen Ihnen erst einmal etwas zu trinken.“
Rentsch umschloss ihr Handgelenk fest, zog sie hinter sich her und bugsierte sie an den Umherstehenden vorbei. Dass ihnen die Blicke von Swantje folgten, wie die auf ihr Ziel kalibrierten Wärmesensoren einer Rakete, bemerkte er nicht. An seiner Hausbar angekommen, drückte er ihr ein Glas mit Sekt in die Hand.
„Eigentlich darf ich nichts trinken.“
„Warum das?“, fragte Rentsch.
„Ich muss noch fahren.“
„Das ist doch nur ein kleiner Schluck. Zur Not fahre ich Sie.“
Noch bevor sie sich wehren konnte, stieß er sein Glas klingend gegen ihres. Rentsch spülte den Sekt in einem Zug herunter, aber Yasmin nippte nur daran. Sie wollte die
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