SECHS
nicht.
„Herr Brenner, ich mache diesen Job schon sehr viele Jahre, und ich habe das Gefühl, ich liege damit richtig.“
Frank sah ihn wieder an. In seinen Augen war eine seltsame Leere, die sich aber dann schnell wieder verflüchtigte.
„Was haben Sie gesagt?“, kam es von Frank.
Jasper schüttelte den Kopf. Der Mann war vielleicht noch nicht so weit.
„Lassen wir das“, sagte er dann.
Frank richtete sich auf und deutete dann auf den Hebel seitlich des Bettes.
„Können Sie bitte mal ...?“
Jasper nickte, stand auf und klappte das Kopfende um einige Grad nach oben.
„Mich würde interessieren, was Frau Fay bei Ihnen wollte?“
Jasper setzte sich wieder auf den Stuhl zurück.
„Sie hat sich entschuldigt.“
„Aha.“ Jasper nickte.
„Mir kam es so vor, als würden sie, naja, sich kennen und das länger als nur seit heute“, wieder zuckte er mit den Schultern, „das war mein Eindruck, als ich hier hereinkam. Ist dem so?“
Frank schwieg.
„Herr Brenner. Liegt es nicht in Ihrem Interesse, dass Frau Fay zur Verantwortung gezogen wird? Ich frage mich gerade, warum?“
Frank lachte. Sein Lachen ging dann aber schnell in ein Husten über und erstickte es.
„Was glauben Sie“, Frank hustete noch einmal, „wie sehr man zur Aufklärung beitragen kann, wenn man angefahren wird und danach in Koma liegt? An was, bitteschön, soll man sich da erinnern?“
„Herr Brenner. Ich glaube, Sie wissen schon, worauf ich hinauswill. Mir geht es um“, er räusperte sich wieder, „wie soll ich sagen? Es geht um die Ereignisse vor dem Unfall.“
Frank schwieg einen Moment, antwortete dann aber tonlos:
„Und welche sollen das sein - Ihrer Meinung nach?“
„Darf ich offen reden?“
„Das tun Sie doch schon die ganze Zeit. Ich komme mir vor wie auf der Anklagebank!“ Jasper ignorierte die Bemerkung und fuhr fort.
„Ich glaube, zwischen Ihnen und Frau Fay gab es vor dem Unfall schon Kontakt. Irgendetwas muss zwischen Ihnen vorgefallen sein, was Frau Fay sehr wütend gemacht hat.“
Frank schnaufte verächtlich gegen die Decke.
„Sie wollen andeuten, Frau Fay und ich haben ein Verhältnis?“
„Das haben Sie gesagt. Aber wenn wir schon dabei sind. Ja, vielleicht haben Sie ein Verhältnis. Ist das so?“
„Ich glaube nicht, dass ich das hier beant...“
„Frank ...?“, unterbrach eine dritte Stimme.
Zwischen seiner Frage und der Antwort von Jasper war, von beiden unbemerkt, die Zimmertür geöffnet worden. Die Männer blickten überrascht zur Tür. Dort stand Melanie. Versteinert.
Jasper sprang sofort auf.
„Herr Brenner, ich lasse Sie mit Ihrer Frau alleine.“
Er hob seine Mütze auf, ging auf Melanie zu und nickte.
„Frau Brenner.“
Melanie reagierte nicht, sondern starrte unverwandt ihren Mann an. Das war ihm Zeichen genug, jetzt zu gehen. Jasper zwängte sich an ihr vorbei und verschwand.
*
Der Polizist war schon seit einer halben Minute gegangen und trotzdem stand Melanie noch immer stumm im Türrahmen. Ihre Mundwinkel zuckten vor Erregung und, wie um sich selbst zur beruhigen, rieb sie sich mit vor der Brust gekreuzten Armen unentwegt über die Schultern. Erst als Frank zweimal auf die Matratze klopfte, kam sie heran.
Melanie nahm auf dem Stuhl Platz, sagte aber nichts. Ihr Schweigen blieb ohne Reaktion. Frank beobachte sie nur und das machte sie noch nervöser. Irgendwann hielt sie die Stille nicht weiter aus.
„Frank. Gibt es etwas, das du mir sagen willst?“
„Hast du die Nummer angerufen?“
Melanie sah ihn fassungslos an.
„Lass diese scheiß Nummer“, blaffte sie.
„Ich will eine Antwort! Du weißt, ich kann mit allem umgehen, nur nicht mit einer Lüge.“
War das wirklich so? Wäre es nicht vielleicht besser, sein Nein hinzunehmen, die Sache auf sich beruhen zu lassen? Doch dieser Wurm, bestehend aus purem Misstrauen, war geboren, hatte angefangen sich durch ihr Vertrauen zu fressen und, verflucht, er würde fetter und fetter werden! Also: Wie sollte sie?
Aber da war noch dieses andere Gefühl. Angst. Nicht irgendeine Angst, sondern eine, die vielleicht so existentiell war wie die vor dem herannahenden Tod. Melanie spürte sie langsam den Hals hochkriechen und dort den Kehlkopf zudrücken. Und trotzdem: Sie durfte nicht schweigen. Dieses Mal jedenfalls nicht. Melanie atmete tief durch.
„Als ... als ich hereinkam, habt ihr von Frau Fay gesprochen und der Mann ...“, sie stockte, „... sagte, du hast ein Verhältnis mit ihr.“ Den Rest hatte sie
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