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SECHS

SECHS

Titel: SECHS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niels Gerhardt
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so hastig herausgepresst, als wolle sie nicht wirklich, dass er es hörte.
    Frank drehte sich zur Decke.
    „Ich will, dass du mich anschaust! Frank! Ist das wahr?“
    Eine Antwort bekam sie nicht.
    Melanie schossen die Tränen in die Augen. Was war nur mit ihm los? Von ihm ging eine Kälte und Gleichgültigkeit aus, die sie noch niemals zuvor erlebt hatte. Wie konnte er ihr das nur antun, nach alldem? Hatte sie nicht genug getan, noch nicht genug gelitten?
    Melanie schnellte in die Höhe und stürzte zum Ausgang, ohne ihren Mann noch einmal anzusehen. Als sie die Tür hinter sich zugeschlagen hatte, rannte sie los. Durch ihre Tränen hindurch verschwammen alle Konturen. Kein Geräusch drang zu ihr durch. Es war, als wabere ihr Hirn in einer zähen, zitternden, durchscheinenden Gelatine-Masse.
    Irgendwann roch sie die kalte Luft und wusste, dass sie draußen angekommen war. Wenige Schritte vor der Eingangstür blieb sie stehen, klappte ohne Vorwarnung nach vorne und übergab sich schwallartig.
    Eine Weile noch starrte sie, gebeugt und gestützt auf ihre Knie, auf die dampfenden Reste ihres Frühstücks. Doch irgendwann ging ein Ruck durch ihren Körper und wie ein Roboter, durch dessen Schaltkreise plötzlich Strom fließt, richtete sie sich auf. Daraufhin geschah wieder nichts. Sie stand einfach da, blickte apathisch in die Ferne als warte sie auf etwas.
    Das Geräusch eines Flugzeugs drang zu ihr durch, ebenso die Stimmen von Menschen um sie herum. Das brachte sie zurück. Ihre Schultern bogen sich nach hinten durch und sie zog ihr Handy aus der Tasche. Bestimmt und zielsicher trafen die Finger jede einzelne der winzigen Tasten. Nach wenigen Augenblicken spuckte das Internet die Adresse ihres Ziels aus: Juliane Fay.

-72-

    Rentsch saß in seinem Kanzleizimmer und starrte nachdenklich in die Luft. Gleich zwei Dinge bereiteten ihm Kopfzerbrechen, wenn auch in unterschiedlichem Maße.
    Dass sich seine Sekretärin nach jener für ihn so unglücklich verlaufenen Nacht nie wieder hatte blicken lassen, und auch nach der Kündigung keinen Mucks von sich gegeben hatte war seltsam, aber dennoch nicht völlig beunruhigend. Wenn der Grund dafür sein sollte, dass sie sich tatsächlich an den Vorfall erinnerte, wovon wohl jetzt auszugehen war, hatte ihre Scham ganz offensichtlich verhindert, dass sie ihn anzeigte. Andernfalls wären die doch schon aufgetaucht? Also ein Hoch auf die Frauen! Letzten Endes waren sie alle so berechenbar. Das Restgefühl von Unsicherheit verdrängte er einfach.
    Weitaus beunruhigender war, dass Swantje, im Gegensatz zu Yasmin, sehr wohl wieder auf der Bildfläche erschienen, von ihrer Begegnung mit seinem Zerberus zurückgekehrt war. Er hatte fest damit gerechnet, seine Frau ein für allemal los zu sein. Enttäuschend. Aber nicht nur das. Er wurde das dumpfe Gefühl nicht los, dass das Gefahr bedeutete. Noch schlimmer war, dass er nicht wusste, von welcher Seite sie drohte: Swantje oder Sirkowsky.
    Das Telefon meldete sich mit synthetischem Gebimmel und unterbrach ihn in seinen Gedanken. Er hob ab.
    „Rentsch.“
    „Ich bin's, Heydarian. Haben Sie die Zeitung gelesen?“
    Rentsch durchzuckte es heiß und kalt. War Yasmin etwa doch an die Öffentlichkeit gegangen? Oder noch schlimmer: War die Sache mit Steinmann aufgeflogen?
    „Was?“, hauchte er erstickt in den Hörer.
    „Sonntagsausgabe. Die Gewinnzahlen!“
    Rentsch klappte wie ein nasser Sack in seinen Ledersessel zurück. Erleichtert.
    „Die Zahlen ... nein ... und?“
    „Äh ... naja ... der Jackpot ist geknackt.“
    Rentsch brauchte noch einen Moment bevor er verstand. Über all die Schwierigkeiten der letzten Wochen hatte er das eigentliche Ziel fast aus den Augen verloren.
    „Wie viel? Wie hoch?“
    Kurzes Schweigen, dann sagte Heydarian:
    „Knapp elfeinhalb Millionen. Um genau zu sein 11.384.153,70. Ein Gewinner.“
    „Wer? Der Name, Mann!“, hechelte Rentsch.
    „Der ist kein Dauerspieler. Wir haben keinen Namen. Gemeldet hat er sich noch nicht. Alles was wir wissen ist, dass die Annahmestelle ein Krankenhaus-Kiosk ist.“
    „Das kann vom Besucher über das Personal bis hin zu einem Patienten jeder sein!“
    „Da hilft nur warten“, sagte Heydarian.
    Und Rentsch wusste, dass das dauern konnte. Dreizehn Wochen hatte ein Spieler Zeit, seinen Gewinn einzufordern. Versäumte er es, würde das Geld wieder in den Topf zurückwandern.
    „Welches Krankenhaus?“
    „Moment, ich habe es aufgeschrieben.“
    Der Telefonhörer wurde

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