SECHS
einen heftigen Stoß in den Rücken, so dass sie zu Frank stolperte.
„Abholen was mir zusteht!“
„Und jetzt setzt euch da hin.“ Sirkowsky wies mit dem Lauf in Richtung Couch. Nachdem Frank dort hingehinkt war und auch Melanie, mit etwas Abstand zu ihrem Mann, Platz genommen hatte, ließ sich Sirkowsky in den Sessel gegenüber fallen, stieß ein wohliges „Ahhh“ aus. Sein Blick wanderte zwischen den beiden hin und her. Irgendwann stützte er die Unterarme auf seinen Oberschenkeln ab, senkte den Kopf und schloss die Augen. Während er nachdachte, rieb er sich mit der Mündung über die Schläfe. Nach einer Weile blickte er auf.
„Wann kommen die beiden nach Hause?“
Melanie hatte den Mund schon zur Antwort geöffnet, aber Frank kam ihr zuvor.
„Beide ...?“
Sirkowsky legte den Kopf schief.
„Wir wissen ehrlich nicht ...“, kam es hastig von Melanie.
„Mamuschka, Mamuschka...“, er schüttelte den Kopf, „... Deine Töchter!“
Melanie sackte das Blut aus dem Gesicht und Frank erstarrte. Jetzt erst wurde den beiden klar, dass hier jemand vor ihnen saß, der einen Plan verfolgte und nicht einfach nur ein hereingestolperter Dieb war. Er hatte sie beobachtet, wusste von den beiden Mädchen. Mit dieser Erkenntnis brach alle Empörung über sein Eindringen in sich zusammen, erstickte aufkeimende Gegenwehr und machte sie gefügiger, als die Furcht vor der Waffe.
Und genau das war es, was Sirkowsky bezweckte. Er hatte nicht viel Erfahrung mit Eltern, genau genommen gar keine, spürte aber intuitiv, dass diese mehr am Leben ihrer Kinder hingen als am eigenen. Und sie würden alle Mittel einsetzen, dieses Leben zu schützen. Aber genau hier lag das Problem: Das machte sie widerspenstig. Also musste er die Bedrohung auf einem so moderaten Level halten, dass die beiden weiterhin brav und verschüchtert auf der Couch sitzenblieben. Denn vorerst brauchte er sie – zumindest einen der beiden.
„Wie siehst du das, Mamuschka?“
„Kinder müssen ihre Mütter ehren. Oder etwa nicht?“
Melanie blickte ihn ratlos an.
„Ich habe meine Mutter geehrt, sie beschützt! Und was passiert? Plötzlich bin ich ein Verbrecher!“ Dabei schraubte er seine freie Hand in die Luft, wie ein Dirigent, der von seinen Musikern mehr Ausdruck fordert.
„Du willst doch nicht, dass deine Kinder Verbrecher werden, oder?“
Melanie schüttelte den Kopf.
„Na siehst du. Dann darfst du auch nichts dafür tun.“
„Und was soll ich tun?“, fragte Melanie.
Erneut zog sich Sirkowsky die Mündung über die Schläfe.
„Du hörst nicht zu. Das muss sich aber ändern, wenn wir hier klarkommen wollen ...“, antwortete Sirkowsky wieder lächelnd.
„Du sollst nichts tun. Das gilt auch für den da.“ Die Pistole zuckte kurz in Franks Richtung.
„Fangen wir noch einmal von vorne an. Wann kommen die beiden?“
Melanie überlegte fieberhaft, welche Rolle die Kinder für den Mann spielten. Vielleicht hing von ihrer Antwort mehr ab als sie ahnte? Würde er verschwinden, wenn sie angab, dass die Kinder bald Schule aus hatten? Oder wartete er vielleicht genau darauf? Sie hatte keine Ahnung. Sie kam sich vor wie kurz vor einem Bungee-Sprung, aber ohne jede Gewissheit, dass das Seil ihr Gewicht würde halten können.
„Was wollen Sie von unseren Kindern? Warum nehmen Sie sich nicht einfach was Sie brauchen und gehen? Wir werden die Polizei nicht informieren“, sagte sie schließlich ausweichend.
Sirkowsky antwortete nicht, sondern erhob sich betont gelassen und steckte die Waffe in den Holster. Dann ging er um den Sofatisch herum und schlug Frank so heftig ins Gesicht, dass dessen Kopf gegen die Wand krachte. Das war moderat - in seinen Augen.
Melanie sprang auf und attackierte den Riesen mit ihren Fäusten.
„Sie Irrer, was ...“
Noch bevor Sie den Satz zu Ende bringen konnte, wurde sie von Sirkowsky auf die Couch zurückgestoßen. Frank stöhnte auf, hielt sich die Nase. Aus der schoss das Blut, besudele sein Hemd, die Hose und schließlich die Couch.
„Warum haben Sie das getan?“, keifte Melanie.
„Kümmer dich drum“, antwortete Sirkowsky nur und nickte in Richtung Frank. Melanie rutschte sofort zu ihrem Mann herüber, drückte seinen Kopf in den Nacken. Frank stöhnte erneut.
„Mel ... ich muss dir was sagen.“ Seine Zähne färbten sich rot.
„Nicht jetzt“, flüsterte sie, „halt still.“ Sie untersuchte sein Nasenbein. Es war bereits deutlich angeschwollen und verfärbte sich purpurn. Melanie war
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