Sechseckwelt 02 - Exil Sechseck-Welt
sagte Yulin über den Lautsprecher. »Index RY-/65I97-AF, Obie«, fuhr er fort.
»Ich weiß, was eine Kuh ist, Ben«, rügte Obie sanft, und Yulin gluckste.
»Also gut, Obie«, erwiderte er. »Ich überlasse es dir. Aber nichts Gefährliches. Folgsam, ja?«
»In Ordnung, Ben. Ich werde mein Bestes tun«, versicherte der Computer, und der Spiegel fuhr wieder hinaus, das blaue Licht strahlte auf, und in ihm flackerte etwas.
»Zaubertricks«, sagte der rotbärtige Mann wegwerfend. »Frau in Kuh.«
Aber was unten auftauchte, war keine Kuh, es war ein zentauroides Wesen: ein Kuhleib – Hufe, Schwanz und Euter und Oberkörper und Kopf des Mädchens, unverändert bis auf die Ohren, die hochstanden wie die einer Kuh, und zwei kleine, gebogene Hörner, die aus ihren Schläfen herauswuchsen.
»Gehen wir hinunter, und sehen wir sie uns genauer an«, schlug Antor Trelig vor, und sie stiegen hintereinander eine kleine Treppe hinunter.
Die Kuhfrau stand da, starrte ins Leere und beachtete sie kaum.
»Nur zu!« sagte Trelig. »Berühren Sie sie! Untersuchen Sie sie so gründlich, wie Sie wollen!«
Sie taten es, und das Mädchen reagierte kaum, bis jemand ihre Milchzitzen berührte, was zu einem leichten, gereizten Tritt führte, der aber sein Ziel verfehlte.
»Guter Gott! Ungeheuerlich!« knurrte ein Rat.
Andere waren sichtlich betäubt.
Trelig führte sie wieder nach oben und erklärte, daß die Sichtplattform unsichtbare Abschirmung besaß, die notwendig war, um die Wirkungen des kleinen Spiegels fernzuhalten.
Er nickte Ben zu, der Obie neue Anweisungen erteilte. Das Kuhmädchen verschwand und wurde wenige Augenblicke später wieder von dem Mädchen ersetzt. Sie stiegen erneut hinunter, betrachteten es, fanden es ängstlich und dumpf blickend, aber sonst vollkommen menschlich – und unverwechselbar dasselbe Mädchen.
»Ich glaube es immer noch nicht«, stieß der Bärtige hervor. »Irgendeine Art monströses genetisches Klonen, ja, aber das ist alles.«
»Wollen Sie es versuchen, Bürger Rumney?« sagte Trelig lächelnd. »Ich versichere Ihnen, daß wir Ihnen nicht das geringste antun. Oder wenn Sie nicht wollen, sonst jemand?«
»Ich versuche es«, erwiderte der rotbärtige Mann.
Das Mädchen wurde hinausgeführt. Rumney stieg auf die Scheibe und schaute sich um, als suche er nach den Requisiten des Zaubertricks. Die anderen stiegen wieder hinauf.
Yulin war bereit. Rumney wurde schnell kodiert, verschwand und erschien kurz darauf wieder. Sie hatten zwei kleine Veränderungen an ihm vorgenommen: Er hatte die langen Ohren eines Esels und einen großen, schwarzen Pferdeschweif, der über seinem Gesäß hinausragte. Da die Wirklichkeit für ihn beibehalten wurde, nahm er die Veränderung schnell wahr. Er betastete staunend seine langen Ohren und bewegte den Schweif. Er wirkte betäubt.
»Was halten Sie jetzt davon, Bürger Rumney?« fragte Trelig ihn leutselig.
»Das ist – unfaßbar«, stieß der Mann hervor.
»Wir können die Wirklichkeit so angleichen, daß Sie und jeder andere glaubt, Sie hätten immer so ausgesehen«, erklärte Trelig. »Aber in diesem Fall lieber nicht.«
»Hat es weh getan?« rief jemand hinunter, und eine andere Stimme fragte: »Was haben Sie dabei empfunden?«
Rumney schüttelte den Kopf.
»Ich habe gar nichts empfunden«, antwortete er staunend. »Ich habe nur das blaue Licht gesehen, dann schienen Sie alle zu flackern, und ich war wieder da.«
Trelig lächelte und nickte.
»Sehen Sie?« wandte er sich an die anderen. »Ich habe doch gesagt, daß es nicht weh tut.«
»Aber wie haben Sie das gemacht ?« fragte jemand stockend.
»Nun, wir haben vorher Obie die Verschlüsselungen für verschiedene gängige Tiere, Pflanzen und dergleichen eingegeben. Er benützte das Gerät an der Decke dazu, sie auf ein Energiemuster zurückzuführen, das mathematisch dem Wesen entspricht. Die Information wurde gespeichert, und als Bürger Rumney auf der Scheibe stand, geschah mit ihm dasselbe. Auf Dr. Yulins Anweisung hin wurden Ohren und Schweif des Esels Rumney angefügt und die Zellen neu kodiert, damit sie zu seinen natürlichen Merkmalen wurden.«
Mavra Tschang spürte denselben kalten Hauch, der die anderen anwehte. Solch unglaubliche Macht – in Treligs Händen.
»Das ist aber erst der Prototyp«, sagte der Rat von Neue Harmonie nach einer Pause. »Im Augenblick können wir nur eine einzelne Person nehmen. Wir können natürlich selbst Personen herstellen, aber wir wissen noch nicht,
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