Sechseckwelt 02 - Exil Sechseck-Welt
Ferne.
»Also, gehen wir, ganz ruhig und bedächtig«, sagte Mavra, ergriff Nikkis rechte Hand mit ihrer linken und Renards linke Hand mit ihrer rechten. Sie machten sich auf den Weg.
Es ging fast zu leicht. Die Wolkendecke war immer noch da, so daß es undurchdringlich dunkel war, und niemand befand sich auf den Straßen. Sie legten den Weg in zwanzig Minuten ohne Zwischenfall zurück.
Aber dann begann es zu regnen, stetig und warm. Der Boden wurde schnell schlammig, und sie waren im Nu durchnäßt. Der Wind nahm zu. Sie begannen zu frieren. Mavra sah keine andere Möglichkeit, als mit den beiden Zuflucht in einem dichten Hain von hohen Bäumen zu suchen, wo sie sich aneinanderpreßten und warteten.
Der nächste Morgen dämmerte heller und trockener, aber nur, weil die Wolken dünner geworden waren und der Regen aufgehört hatte. Sie sahen schlimm aus, schlammbespritzt, zerzaust und zerlumpt.
»Ich kann nicht mehr richtig denken«, klagte Renard. »Mir fällt vieles nicht ein. Woran liegt das, Mavra?«
Sie empfand tiefes Mitleid mit ihm, aber seine Frage konnte sie nicht beantworten. Nikki ging es natürlich noch schlechter. Sie fand eine Schlammpfütze und spritzte darin fröhlich herum, begann Schlammkuchen zu backen.
»Hallo!« rief sie. »Theht mal, wath ich gemacht hab'!«
Mavra seufzte und dachte angestrengt nach. Ein Blick auf die Sonne hatte ihr verraten, daß sie ungefähr in östlicher Richtung unterwegs gewesen waren, aber wie weit und in welchem Winkel?
Sie wußte, daß sie etwas tun mußte. Es blieb ihr keine andere Wahl. Sie jagte ihnen beiden etwas von der Hypnoseflüssigkeit unter die Haut und wählte ihre Worte mit Bedacht, damit sie ihr folgen konnten.
»Nikki, du weißt nicht mehr, was oder wer du bist, außer, daß du Nikki heißt, verstanden?«
»Mhm«, bestätigte das Mädchen.
»Du bist jetzt ein ganz kleines Mädchen, und ich bin deine Mami. Du liebst deine Mami und tust immer, was sie sagt, nicht wahr?«
»Mhm.«
Mavra wandte sich Renard zu.
»Renard, du weißt nichts davon, wer du bist oder wo wir sind, nur, daß du Renard heißt. Okay?«
»Gut.«
»Du bist Renard. Du bist fünf Jahre alt und mein Sohn. Ich bin deine Mami, und du liebst deine Mami und tust immer, was sie sagt. Verstehst du?«
Seine Stimme klang kindlicher, als er sagte: »Ja, Mami.«
»Gut. Nikki ist deine Schwester. Sie ist jünger als du, und du mußt ihr helfen. Verstehst du? Du liebst deine Schwester und muß ihr helfen.«
»Ja, Mami.«
»Nikki, Renard ist dein großer Bruder«, sagte sie zu dem Mädchen, »und du liebst ihn sehr. Du läßt dir von ihm helfen, wenn du in Schwierigkeiten bist.«
»Mhm«, sagte Nikki ganz kindlich.
Mavra war so zufrieden, wie sie es sein konnte. Sie holte die beiden aus dem Hypnoschlaf.
»Kommt, Kinder, wir müssen gehen.«
»Ah, bitte, Mami«, sagte Nikki, »können wir nicht noch thpielen?«
»Jetzt nicht. Wir müssen weiter. Kommt, gebt mir eure Hände.«
Sie gingen einige Zeit weiter. Manchmal war es trotz der hypnotischen Anweisungen schwer, sie als Kinder unter Kontrolle zu halten. Sie brauchte Strenge und Willenskraft, um sie im Zaum zu halten.
Das Gelände wurde hügeliger, die Felsblöcke wurden häufiger und schienen größer zu sein. Vielleicht die Vorberge.
Und plötzlich waren sie da. Nicht sehr hohe Berge, nicht sehr majestätische, aber trotzdem großartig anzusehen. Sie reichten bis in eine Höhe von etwa achthundert Metern hinauf. An den Hängen weideten viele Schafe, was Mavra nicht behagte, weil Zyklopen in der Nähe sein mochten. Sie überlegte, ob sie bis zur Dunkelheit warten sollten, fürchtete aber, noch mehr Zeit zu verlieren, schaute sich sorgfältig um und beschloß, es zu riskieren. Sie lief mit den beiden auf den ersten Felsen zu, der Schutz bot.
Er war weiter entfernt, als sie angenommen hatte, und die »Kinder« waren kaum zu halten, als sie an Schafen vorbeikamen.
Der Felsen rückte näher, und sie liefen schneller. Nur noch einige Sekunden… jetzt! Geschafft!
Dann ein grauenhaft brüllender Laut, und sie erstarrten. Eine riesige Gestalt ragte vor ihnen auf, dann eine zweite. Ein großer Mann und eine große Frau.
Nikki schrie auf, und sie wandten sich zur Flucht, aber die Wesen reagierten sehr schnell, nachdem sie sich von ihrer Überraschung erholt hatten. Eine große Hand fegte herunter, packte die Langsamste, Nikki, und warf sie wie eine reife Frucht der anderen Gestalt zu.
Der männliche Riese lief Mavra nach und
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